Die Welt der kleinen Schätze. Das ist die Briefmarkenstelle in Bethel, dem diakonischen Zentrum in Bielefeld. Hier werden die gespendeten Briefmarken sorgfältig sortiert und verkauft. Kleine Marken, die viel bewirken.
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Ein Wochenende zum Geburtstag bei einem alten Freund. Ich habe noch nicht einmal die Zeit, mir die Hände zu waschen, geschweige denn, dem Geburtstagskind angemessen zu gratulieren. Da fallen schon die inzwischen erwachsenen Kinder des Freundes über mich her mit der Frage: "Du bist doch bei Bethel. Du musst es also wissen. Macht Bethel das eigentlich wirklich noch – die Sache mit den Briefmarken?"
Bethel. Das ist wie eine kleine Stadt inmitten der Stadt Bielefeld, ein Zentrum der evangelischen Diakonie, das Menschen in ganz verschiedenen, oft schwierigen Lebenssituationen hilft. Viele kennen die Aktion "Briefmarken für Bethel". Die beiden erwachsenen Kinder des Freundes sagen: "Ist doch total altmodisch. Es verschickt doch niemand mehr Briefe. Und Briefmarken sammeln, das macht doch auch niemand mehr!"
"Halt", sage ich, "weit gefehlt. Das Briefmarkensammeln für Bethel lebt. Wir können Briefmarken immer noch genauso gut gebrauchen wie vor 137 Jahren."
Ich habe vor kurzem die Briefmarkenstelle besucht. Jeden Tag kommen hier mehr als 400 Briefe und Päckchen an – mit Briefmarken. Im Jahr ergibt das ungefähr 30 Tonnen. 30 Tonnen!
In der Briefmarkenstelle taucht man ein in eine andere Welt. Die Welt der kleinen Schätze. Es herrscht eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Obwohl der Raum groß ist und hier 125 Menschen arbeiten. Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Es ist ein beliebter Arbeitsplatz. Als ich dem Team bei der Arbeit zusehe, verstehe ich, warum.
Die Briefmarken werden erst einmal gesichtet. Gibt es sie oft oder sind sie selten? Neu oder alt? Aus Deutschland? Europa? Oder aus fernen Ländern? Sind sie unbeschädigt? Das ist wichtig. Denn wer sammelt, möchte Marken ohne Riss.
Denn es gibt sie noch – die Sammler. Natürlich nicht mehr so viele wie früher. Aber nach wie vor genügend, die an Briefmarken Freude haben. Genau wie im Jahr 1888, als man in Bethel anfing, um Briefmarken zu bitten und diese weiter zu verkaufen.
In der Briefmarkenstelle werden die gespendeten Marken gesichtet. Die einfachen werden ausgeschnitten, die wertvolleren sorgfältig abgelöst und ebenso sorgfältig sortiert. Und schließlich werden unterschiedliche Päckchen und Pakete gepackt. Die "Bunte Mischung" – BUMI genannt: gebrauchte, unsortierte Marken aus Deutschland und aller Welt. Nur geschnitten. Als Zwei-Kilo- oder Vier-Kilo-Paket. Sie ist verhältnismäßig billig.
Teurer wird es bei den abgelösten und sortierten Marken. Sie werden in 100-Gramm- oder 250-Gramm-Päckchen verpackt. Da ist dann auch die eine oder andere Kostbarkeit darunter.
Bei meinem Besuch in der Briefmarkenstelle sehe ich, wie eine Frau mit großer Leidenschaft bei der Sache ist. Sie hantiert mit Lupe und Pinzette, um ja die Zähnung der Briefmarke nicht zu beschädigen. Hier ist eine Spezialistin am Werk.
Das ist einer der Gründe, warum es nach wie vor die Aktion "Briefmarken für Bethel" gibt. Weil Menschen hier eine Arbeit finden. Das ist generell in Bethel so: Es bietet Menschen mit Beeinträchtigungen eine sinnvolle Beschäftigung. Im inklusiven Café oder Restaurant, im Garten- und Landschaftsbau, in der Molkerei. Darum arbeite ich als Pfarrerin und Theologin genauso gern in Bethel wie die Frau in der Briefmarkenstelle. Weil ich hier erlebe: Inklusion, das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung ist keine Utopie. Hier in Bethel wird das ausprobiert und gelebt. Mit Ausstrahlungskraft über Bethel hinaus. Ich merke immer wieder: Inklusion funktioniert, wenn man will und wenn viele mitmachen. Zum Beispiel mit Briefmarken für Bethel.
Es gilt das gesprochene Wort.
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