Erdkröte Elfriede hat es sich in einem angebrochenen Sack Blumenerde gemütlich gemacht. Sie lehrt die Gartenbesitzerin: Jedes Lebewesen hat sein Lieblingselement, und alles strebt ins Gleichgewicht.
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Blitzschnell huscht etwas unten am Hochbeet entlang in den kleinen, verwilderten Acker daneben. Verflixt, schon wieder eine Maus?, frag ich mich. Aber dann sehe ich: Es ist eine winzige Erdkröte. Vielleicht ein Emil. Ein Sohn von Elfriede? Elfriede wohnt seit mindestens zwei Jahren in meinem Garten. Zuerst habe ich nur ihren Partner kennengelernt. Der saß eines Abends unter den Brombeeren. Ein schöner Kröterich mit goldenen Augen.
Dann traf ich die beiden zusammen, als ich im Garten ein paar Kräuter holen wollte. Es war schon dunkel, ich hatte eine Taschenlampe dabei. Neben mir raschelte es auf einmal, und ich habe mich erschreckt. Genauso aber auch Elfriede und ihr geliebter Kröterich, der – wie es Krötenmännchen bei der Paarung eben so machen - hinten auf ihrem Rücken saß.
Etwas später hat Elfriede einen angebrochenen Sack mit Blumenerde zu ihrem Zuhause gemacht. Ich habe ihr den Sack überlassen. Dass die Kröte es geschafft hat, darin zu überwintern, finde ich grandios. Jetzt habe ich den Sack unter die Hecke geschoben, damit er nicht im Weg rumsteht. Auch das ist gut angekommen. Sie ist immer noch da.
Und neuerdings der klitzekleine Emil. Vielleicht auch eine Emilia, das weiß ich nicht so genau. Ich freue mich immer, diese Kröten zu sehen. In den Nachbargärten gibt es Teiche, bei mir jede Menge Ameisen, Asseln, Fliegen, Schnecken, Schnaken und was sie sonst gern mögen. Schneckenkorn, das ihr gefährlich werden könnte, streue ich nicht, und ich wende auch sonst keine chemischen Produkte an, um Schädlinge zu bekämpfen.
Denn ich lerne jedes Jahr dazu: Alles hängt hier im Garten zusammen. Was mir der Garten schenkt, genieße ich. Was sich andere Lebewesen holen, gehört ihnen. Schwach geworden bin ich bei der diesjährigen Schneckenplage: Da hab‘ ich auch schon abgesammelt und mit der Gartenschere umgebracht. Vielleicht – so denke ich jetzt – war das gar nicht nötig. Denn die kleinen Schneckenfresser namens Erdkröten schlüpfen gerade. Und alle haben Appetit – sie und ihre Eltern. Mögen sie sich an den Schnecken laben.
Es ist wirklich so, wie mir das ein junger Gartennachbar zu Beginn meiner Schreber-Gartenzeit sagte: "Jetzt sind die vielen Blattläuse da. Aber Geduld, ganz bald kommen die Marienkäfer und dann pendelt sich das alles wieder ein." Genauso ist es.
Ich gehe, seit ich dieses Stückchen Erde bebaue, sehr viel achtsamer durch die Natur. Schaue, dass ich nichts aus Versehen zertrete, und passe bei der Gartenarbeit auf, ob ich gerade das Zuhause einer kleinen Kreatur zerstöre. Denn alle braucht es für das Gleichgewicht im Garten.
Im Gleichgewicht bleiben, in der Balance, die Gott in der großen ganzen Schöpfung angelegt hat – wie geht das unter Menschen? Jesus rät zu radikaler Liebe. Teilen. Demut. Genügsamkeit statt Habgier. Dem Frieden nachjagen und sich täglich um ihn kümmern. Fällt manchmal schon im Schrebergarten nicht leicht.
Ich verstehe nicht, warum Frösche und Kröten in vielen Kulturkreisen nicht gut wegkommen. In der Bibel ist nur von Fröschen die Rede – und sie sind Plagegeister oder spielen eine unehrenhafte Rolle am Ende aller Tage. Eventuell steckt dahinter die in der persischen Religion verbreitete Anschauung, Frösche seien Diener Ahrimans, des Gottes der Finsternis. Auch in der christlichen Kunst haben Frösche und Kröten ein schlechtes Image. Die Kröte ist als Aasfresserin oft neben dem verwesenden Leichnam dargestellt. In China dagegen ist sie ein Symbol für langes Leben, Unverwundbarkeit oder für Reichtum.
Aber was schert es mich, was so gesagt wird über Kröten: Wäre ich Künstlerin, ich hätte meine geliebte Elfriede schon in Stein gemeißelt und die Skulptur neben ihren Bau im Erdsack gestellt. Ich kann nur Gutes von ihr berichten und sagen: Sie hilft nach Kräften, hier alles im Gleichgewicht zu halten. Und wenn ich mich freue, bin ich entspannter und kann auch außerhalb meines Gartens mit Meinungsverschiedenheiten besser umgehen. Werde also verträglicher und friedlicher.
Elfriede lehrt mich: Jedes Lebewesen hat sein Lieblingselement, in dem es sich aufhält. Elfriede liebt es erdig, feucht und dunkel. Ich hell, trocken und mäßig warm. Wir kommen uns da nicht in die Quere. Ab und an müssen sowohl sie als auch ich unser liebgewonnenes Habitat verlassen und uns Neuem stellen. Manchmal ist neu ja nicht schlechter. So wie Elfriede den Plastiksack mit Erde bezogen hat: Darin bleibt die Feuchtigkeit erhalten, und sie ist geschützt vor den Blicken des streunenden Katers, der auf sie lauert. Ich habe meine Wohnung ebenfalls schon oft gewechselt und musste mich den jeweiligen Neuerungen stellen. Diese Erfahrung verbindet Elfriede und mich. Gemeinsamkeiten entdecken hilft auch beim Frieden schaffen…
Ich bete und hoffe, dass wir es auf dieser Erde wieder besser hinbekommen mit dem Gleichgewicht: zwischen Mensch und Tier und zwischen uns Menschen.
Ich bin überzeugt: Gott hatte seine Hände im Spiel, als ich den Garten und Elfriede als Mitbewohnerin entdeckt habe.