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Wolken und Wind
Völlig losgelöst
14.07.2025 06:35
Der Blick in den Himmel hat früher Trost gegeben: Was auch immer auf der Erde passiert, die Wolken ziehen verlässlich ihre Bahn. Aber dieser Trost ist fragil geworden.
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Kurz vorm Aufstehen. Ich sitze auf dem Bett und schaue in das kleine Stück Himmel, das die Jalousie frei gibt. Grau in Grau. Über den dunklen Himmel ziehen hellgraue Wolken. Es gibt schönere Tage, wenn die weißen Federwölkchen über einen blauen Himmel tanzen. Und schlimmere, wenn Gewitterwolken über den Horizont jagen.

Aber egal wie, ich mag es, den Wolken zuzusehen wie Luftschiffen. Ich denke dabei an das alte Lied von Paul Gerhardt: das Lied "Befiehl du deine Wege". Da dichtet Paul Gerhardt von Gott, der den Himmel lenkt. "Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann."

Das Lied ist ein bisschen melancholisch. Es dreht sich um die Frage, wie man mitten in Ängsten und Sorgen Gottvertrauen behalten kann. Es gab viele Gründe in Paul Gerhardts Leben, sich Sorgen zu machen. Er lebte in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, verlor seine Frau und vier Kinder. Er stand zwischendurch mittellos da, weil er aus Protest gegen eine Kirchenreform seines Kurfürsten seine Pfarrstelle in Berlin aufgegeben hatte. Für ihn war es wichtig, nach seinen Überzeugungen zu leben. Es ging schließlich um alles – um Politik und Kirche, um Familie und Glaubensfragen. "Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not" heißt eine Strophe in dem Lied "Befiehl du deine Wege".

Und ich sitze hier auf meiner Bettkante, schaue den Wolken zu und denke an die Kriege heute. An die vielen, die an Post Covid erkrankt sind. Und an alle, die von der Kirche enttäuscht sind.

Ob der Trost, von dem Paul Gerhardt erzählt, auch heute noch hilft? "Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann." Und wenn nicht? Wie sonst gewinnen wir Vertrauen ins Leben?

"Sag deiner Angst, sie kann gehen" heißt das Buch, das die Unternehmerin Christine Hildesheim geschrieben hat. Sie meint, wir sollten uns mehr mit unseren Träumen beschäftigen. Starke Bilder für die Zukunft könnten den Ängsten ihre Macht nehmen. Stimmt, für die ersten Christen ließ das Bild von der neuen Stadt Gottes die Angst vor dem kaiserlichen Regime klein werden. Christine Hildesheim rät, sich ein Vision Board mit den eigenen Zukunftsbildern zu gestalten - digital oder auf einem großen Plakat an der Wand.

Ich schaue noch einmal in die Wolken, die sich immer in neuer Gestalt zeigen. Der Trost, den ich dabei empfinde, ist fragil. Früher dachte ich: Die Wolken sind zwar wandelbar. Aber es wird sie immer geben. Inzwischen weiß ich: Das steht nicht fest. Wolken spielen eine entscheidende Rolle im Klimasystem der Erde. Sie fungieren wie ein Schirm, der das Sonnenlicht über der Erde filtert. Sie haben damit auch einen Abkühlungseffekt.

Aber mit dem Klimawandel könnten sich die Höhe, die Dichte, die Ausdehnung der Wolken verändern. In einigen Klimamodellen verringert sich die Bewölkung über dem Ozean, je mehr sich die Erde erwärmt. Die löchrigere Wolkendecke, die dabei entsteht, könnte den Klimawandel weiter ankurbeln. Tatsächlich gibt es ja schon mehr Luftlöcher beim Fliegen. Die Freiheit über den Wolken ist nicht mehr so grenzenlos wie in unseren Träumen.

Die Wolken, die ich heute von unten anschaue, könnten also in Zukunft ganz anders aussehen. Den Menschen von morgen wird Paul Gerhardts Lied vielleicht nicht mehr so einleuchten. Die alten Glaubensbilder, die uns Halt geben, sind stark mit der Schöpfung verbunden.

Ich erinnere mich an das Vision Board: positive Zukunftsbilder gestalten. Ich habe in meinem Zimmer eine Plakatwand. Vielleicht pinne ich heute ein Luftschiff drauf. Eine Wolke und einen Heißluftballon. Völlig losgelöst will ich schweben mit den Wolken dem Himmel entlang.  Meine Sorgen loslassen wie Ballast im Ballon. Leicht werden und neues Vertrauen fassen, "Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da mein Fuß gehen kann." Und die Füße derer, die nach uns kommen, auch.

Es gilt das gesprochene Wort.

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