Guten Abend!
so kurz vor dem Ende des Tages möchte ich Sie zu einem Gedankenexperiment einladen. Stellen Sie sich mal vor: Journalisten und Kameraleute belagern ein Grab. Übertragungswagen am Rand des Friedhofs senden die Liveschalten der Reporter in die Nachrichtenstudios. Die Sensationsmeldung: Einer, der an einem Kreuz gestorben ist, der bestattet wurde, ist verschwunden. Er soll auferstanden sein. Stellen Sie sich mal vor, das mit dem leeren Grab wäre nicht vor 2000 Jahren, sondern letzten Sonntag passiert – Ostern 2015. Und das bei dem Medienangebot von heute. Die Journalisten hätten um die besten O-Töne gekämpft. Den Augenzeuginnen, die als Erste erfahren hatten, was passiert war, hätten sie beim Einkaufen aufgelauert. Die Journalisten hätten das Haus, in dem sich die Jünger aus Angst eingeschlossen hatten, belagert. Und irgendwann hätte jemand geredet und erzählt, was er selbst erlebt hat. Von dem verstorbenen Jesus, der auf einmal zwischen ihnen stand und die Wundmale der Kreuzigung in seinen Händen zeigte – zum Beweis: „Ich bin es wirklich. Aber ich bin nicht tot, ich lebe.“ Experten hätten sich in Talkshows die Köpfe heiß geredet – „Auferstehung: Wahr oder Wahn?“ - und man hätte das Facebook-Profil von Maria Magdalena, der Ersten am leeren Grab, nach Privatfotos durchstöbert.
Ich bin mir ziemlich sicher: Heute wäre die Auferstehung ein mediales Großereignis. Denn wir Menschen wollen Bilder. Brauchen Beweise. Wir wollen verstehen. Ziemlich bald hätten wir aber gemerkt: Wahrheit lässt sich nicht immer bis zum Kern ergründen. Sie bleibt oft unverständlich. Ein Mysterium.
In der vergangenen Woche wurde heftig diskutiert: Brauchen wir in unserer Mediengesellschaft engere Grenzen der Berichterstattung – gerade dann, wenn uns etwas so sehr betrifft wie der Flugzeugabsturz in den französischen Alpen.
Ja, es gab viele Bilder, Berichte, Expertenmeinungen. Zu viele. Vor allem zu viele, die für meinen Geschmack zu nah dran gegangen sind. Dabei ging es mir selbst auch so: Ich musste mir die Fotos immer wieder und wieder anschauen. Habe die Nachrichten in Dauerschleife gesehen, obwohl sie gar nichts Neues zu berichten hatten. Ich wollte irgendwie begreifen, was da passiert ist und merkte: Ich kann es nicht. Bis jetzt ist das so. Deswegen möchte ich auch nicht diejenigen pauschal an den Pranger stellen, die dafür sorgen, dass mein Interesse nach neuen Informationen befriedigt wird.
ABER: So sehr ich mir auch wünsche alles restlos nachzuvollziehen, ich muss damit leben dass es Dinge gibt, die dem Verstehen entzogen sind. So wie die Gründe für den Flugzeugabsturz. Wir sollten lernen, an diesen Punkten Halt zu machen. Aufhören zu spekulieren, wenn es nichts weiter zu wissen gibt. Aufhören die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben – dem Täter, den Medien, der Fluggesellschaft - um von der eigenen Fassungslosigkeit abzulenken.
Noch immer brennen Kerzen für die Verstorbenen und ihre Angehörigen, sie sollten noch lange brennen. Sie erklären nichts. Aber sie setzen in aller Trauer ein Zeichen der Erinnerung, der Hoffnung gegen den Tod. Was in diesen Tagen nach Ostern außerdem bleibt, ist der, der auferstanden ist, Jesus von Nazareth. Seine Botschaft: das Leben ist stärker als der Tod. Ob das wahr sein kann? - … ich glaube daran.
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)