Wort zum Sonntag
Das Wunder bleiben lassen
Erika Pluhar
28.03.2015 09:00

Ihre Handschrift ist unverkennbar – ganz gleich ob sie Theater spielt, Lieder dichtet und singt oder Romane schreibt: Die vielseitige Künstlerin Erika Pluhar steht für Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit. Seit 25 Jahren begleiten mich ihre Texte und Lieder. Manche klingen wie moderne Psalmen.

 

Unser Dasein ist auch wirklich eine Zumutung. Ich sage das ganz offen. Aber in diesem Wort steckt auch das Wort Mut. Und dass Menschen versuchen, sich selbst zu helfen, indem sie an irgendetwas Übergeordnetes glauben, das verstehe ich ja. Ich mag nur nicht, wenn dieser persönliche Glaube ein Instrument sein soll, um die Welt zu beherrschen.

 

Und so lässt sich Erika Pluhar in Glaubensdingen nicht festlegen. Die Künstlerin ist vor allem ein politischer Mensch. Dieser analytische Blick prägt auch ihre Sicht auf ihren Beruf. Nach der Ausbildung an der Wiener Akademie für Musik und Darstellende Kunst ist Erika Pluhar vier Jahrzehnte Mitglied im Ensemble des Burgtheaters. Sie spielt große Rollen. Aber wenn sie heute auftritt, will sie keinen roten Teppich, keine Showtreppe. Zwei Musiker, ein Mikro und ein Scheinwerfer. Und sie selbst, mit klaren Aussagen.

 

Immer die Welt im Auge behalten

Persönlich bemühe ich mich sehr darum, wirklich die Welt im Auge zu haben, was uns weltweit gefährdet.

Zum Beispiel die Beschneidung der Frauenrechte, die Erika Pluhar global verstärkt sieht,

 

…wenn dort in Afrika über 200 junge Mädchen entführt werden, die in die Schule gehen möchten und man sagt, die sollen entweder heiraten oder sie werden verkauft, dann verstehe ich nicht, dass der Aufschrei quer über die ganze Welt nicht lauter ist. Ich schreie deshalb. (…) dieser Islamismus, diese Gotteskrieger, jetzt auch in Syrien, die alles verdrehen, sind für uns Frauen auf Erden katastrophal. Also, die Situation der Frau auf Erden ist schlimm, für mich fast schlimmer denn je.

 

Woran glauben? – Ans Leben.

Auch im Privaten stellt sich Erika Pluhar den dunklen Seiten des Lebens. Meistert Krisen, an denen andere zerbrochen wären. Ich frage Erika Pluhar, woran sie glaubt.

 

 

Ich glaube ans Leben, sage ich halt immer. Und das bedeutet ja sehr viel, weil, Leben heißt auf die Welt kommen, die Welt verlassen, heißt werden und sterben, heißt kommen und gehen.

 

Dabei kommt mir sofort der Tod ihrer Tochter Anna in den Sinn, die als junge Frau mit 37 Jahren an den Folgen eines Asthmaanfalls gestorben ist.

 

Ich war im Studio, und ich habe ein Lied gesungen, das trägt den Titel „Die unerfüllbaren Wünsche“ und fängt an: … ich möchte was haben, was mir für ewig g´hört“. In diesem Lied wurde ich unterbrochen mit der Nachricht, dass meine Tochter tot ist.

 

Erika Pluhar fällt. Und doch: Sie stützt sich auf eine Parabel. Eine wie Jesus sie vielleicht erzählt hätte, sagt sie:

 

Ich bin zum Beispiel als junges Mädchen mit Buben in der Donau geschwommen durch den Strudel und ich habe mich gefürchtet. Und die haben gesagt: „Erika, wenn du dorthin kommst, wo dieser Strudel ist, der einen hinunterzieht, dann lass dich hinunterziehen, aber du musst unten ankommen. Wenn du dich abstößt, kommst du oben wieder rauf und kannst weiterschwimmen.“

Und das habe ich dann auch getan. Und das ist zum Beispiel für mich die Parabel geworden, leider sehr schmerzhaft in meinem Leben und immer wieder, mit der Trauer umzugehen. Man muss sich von der Trauer wirklich in den tiefsten dunklen Grund hinunterziehen lassen, bis man merkt, man ist wirklich am tiefsten Punkt angekommen. Dann kann man langsam wieder hoch geraten, und dann kann man wieder (…) weiter leben.

 

Sie lebt in mir weiter

Erika Pluhar sagt: Anna lebt in mir weiter. Nach Annas Tod passieren Dinge, wie kleine Zeichen von ihrer Tochter. Vor Annas Wohnung auf dem Grundstück in Grinzing, wo auch Erika wohnt

 

…da stand so ein Rosenbusch, und der war völlig vertrocknet. Der stand halt da so. Und nach ihrem Tod wuchs wirklich in diesem vertrockneten Rosenbusch eine große weiße Rose.

 

An solchen Zeichen geht sie nicht vorbei, aber sie überbewertet sie auch nicht. Zwischen Himmel und Erde gibt es mehr, als wir ahnen, meint sie. Und man müsse das trügerische Wissen-Wollen in Glaubensdingen loslassen.

 

Natürlich, man will einen Glauben haben. Und man will ein Wunder erlebt haben, ja. Viel schöner ist eigentlich, dieses Wunder geschehen zu lassen und es (spricht gedehnt, betont) blei-ben zu lassen.

 

 

Zitat von CD-Box:

Erika Pluhar: Es war einmal – Ein Lebensweg in Liedern. E.T.E., Extraplatte Musikproduktions- und Verlags GmbH, Produktion Nr. 013 Erika Pluhar, Wien 2004. LC 8202. CD 1 Lieder von 1972-1981, Track 16 Die Angst vor dem Verlust: gesprochen von Erika Pluhar (0:22)

 

Literatur und Links:

(1) Erika Pluhar: Lieder – mit Fotos von Christine de Grancy, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, 1986.

(2) SZ-Magazin Heft 41/2011: Sven Michaelsen: „Mit dem Wort Glück hab ich wenig am Hut“. http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/36391/Mit-dem-Wort-Glueck-hab-ich-wenig-am-Hut

(3) http://www.erikapluhar.net/index.html

(4) http://www.walkabout-fuer-manager.at/media/files/Erika-Pluhar.pdf

(5) http://archiv.magazin-forum.de/%E2%80%9Eich-pfeife-auf-eine-weltkarriere%E2%80%9C/