Heute ist Weihnachten vorbei. So fühlt es sich wohl für die an, die arbeiten müssen. Aber vielleicht auch für jene, die den neuen Schal bei einem Spaziergang schon umgelegt, die CD gehört und das geschenkte Buch zu Ende gelesen haben. Natürlich ist Weihnachten noch nicht vorbei. Die Wohnung ist noch immer festlich geschmückt, auch präsentiert sich draußen noch alles weihnachtlich. Lebkuchen, Plätzchen und Stollen gibt es noch reichlich. Und im Kühlschrank liegt noch ein Rest vom Truthahn.
Und doch: Der Zauber der Heiligen Nacht ist verblasst, beim obligatorischen Besuch der Eltern am ersten oder zweiten Weihnachtstag ist es noch gerade so gelungen, den Familienfrieden zu wahren und manche Weihnachtslieder möchte man jetzt einfach nicht mehr hören.
Die Idylle weicht der Realität. Unweigerlich. Der Hunger, die Kriege, der Terror, die Flüchtlinge – alles ist noch immer da, war höchstens kurz vom Lichterglanz überstrahlt. Im Fernsehen, im Internet, in der Tageszeitung – da ist alles wie immer gegenwärtig. Und wie immer nicht ohne Schrecken.
Das war zur Zeit der Geburt Jesu nicht anders. Erst die Gemälde berühmter Künstler haben so manche Situation zur Idylle gemacht. Den Stall zum romantischen Ort, der er natürlich nicht war. Und den ersten Hörern der guten Nachricht von der Geburt Jesu war gar nicht froh um Herz. Angst beherrschte die Hirten, Randsiedler der damaligen Gesellschaft. Nicht ohne Grund leitete der Engel die frohe Botschaft mit den Worten "Fürchtet euch nicht" ein.
Die in der Bibel überlieferten Weihnachtserzählungen sprechen eine deutliche Sprache. Im Matthäusevangelium wird das gerade geborene Jesus-Kind mit seinen Eltern zum Flüchtling. Nur knapp entgehen sie den Nachstellungen von König Herodes dem Großen. In dem Neugeborenen sieht er einen Rivalen. Im Lichte der Ankündigung, dass der König der Juden geboren worden sei, fürchtet Herodes um seine Macht. Sie zu sichern, schreckt er vor nichts zurück. Nicht einmal vor Mord. Er gibt den Befehl, alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren zu töten.
Zur Erinnerung an diese grausame Tat wird in der katholischen und in der evangelischen Kirche heute, am 28. Dezember, das Fest der Unschuldigen Kinder gefeiert. Im Brauchtum ist über die Jahrhunderte hinweg ein Narrenfest daraus geworden, eine Art Karnevalsveranstaltung. Erinnert wird an das Fest der Unschuldigen Kinder nur noch in manchen Kalendern. In manchen Kloster- und Stiftsschulen wurde an diesem Tag ein Schüler zum Bischof gewählt.
Diese Tradition wird heute wieder aufgenommen und zeitgemäß interpretiert, indem so genannte Kinderbischöfe eingesetzt werden. Die Idee, die dahinter steht: Kinder in den Mittelpunkt zu rücken und öffentliche Aufmerksamkeit für sie zu schaffen. Das ist nötiger denn je. Kinder haben Bedürfnisse, Interessen und Ideen, die Erwachsene oft nur unzureichend wahrnehmen. Die Machtverhältnisse also einmal umzukehren und den Kleinen Gehör zu schenken, das ist eine prima Idee.
Auch wenn das nur ein Spiel ist, so ist das Thema doch ernst. Offensichtlich von zeitloser Aktualität. Und heute von besonderer Dringlichkeit. Die Nachrichten – und Bilder – von toten Flüchtlingskindern führen unmittelbar vor Augen, wer die Schwächsten und am meisten Schutzbedürftigen sind. Das wissen wir, die Erwachsenen, natürlich. Wir wissen auch, dass Kinder die Schwächsten sind – im Straßenverkehr zum Beispiel. Aber aus dem Wissen ist noch lange kein wirksamer Schutz geworden.
Seit 1989 haben die Vereinten Nationen eine Kinderrechtskonvention. Endlich, möchte man voller Erleichterung kommentieren. Keiner anderen UN-Konvention sind so viele Staaten beigetreten wie dieser. Gebracht hat es bislang aber nicht viel.
Weihnachten gilt als das Fest der Kinder. Weihnachten ist heute vorbei. Nicht vorbei sein darf die gemeinsame Sorge um Kinder, Enkelkinder, Patenkinder, Flüchtlingskinder. Gott hat sich etwas gedacht, als Kind in diese Welt zu kommen. Das sollten wir Erwachsenen nach Weihnachten nicht gleich wieder vergessen.