Ostern bedeutet für mich, sich vom Leben in Bewegung setzen, sich von ihm bereitwillig mitnehmen zu lassen. Dass aus Tod und Erstarrung plötzlich wieder Leben bricht, das ist die einzigartige Geschichte von Ostern. Das spiegelt sich auch in manchen Lebensgeschichten. Aber dass es einen sogar aus der Geschichte einer Stadt geradezu anspringen kann, das habe ich nirgendwo so intensiv erfahren wie in Berlin.
Ich erinnere mich noch allzu gut an die geteilte Stadt, an Mauer, Wachtürme und den wortwörtlichen Todesstreifen, der das Leben Berlins auf ewig einzuschnüren schien. Und dann brachte die Wende plötzlich alles in Bewegung. Die Mauer fiel, auf der Brache am Potsdamer Platz drehten sich bald die Kräne, rasch wuchs der Stadt hier eine neue, glänzende Haut hoch über die alte, tiefe Wunde. Von der ist nur noch eine Pflastersteinspur geblieben, sonst änderte sich rundum fast alles.
Das begann mit dem Stadtschloss, von dem ich fünf Jahre nach der Wende schon eine Ahnung bekam, auch wenn das alles erst noch Kulisse war – damals, als ich mich aus dem Rheinland in die neue alte Hauptstadt locken ließ. Seitdem habe ich die eigentlich immer nur im Umbau gesehen. Lästig war das – und faszinierend zugleich. Da verhüllte ein quirliges Künstlerpaar den klobigen Reichstag einen Event-Sommer lang mit einer riesigen Glitzerfolie – und der gewann danach mit seiner hellen Kuppel ein lichtes, neues Leben. Da musste man wochenweise immer wieder andere Umleitungen durch diese Gegend fahren – und dann stand da plötzlich ein neues Bundeskanzleramt. Und eine Weile später ein ganz neues Regierungsviertel. Stadtteile sind erblüht, haben sich gehäutet – bis heute ist so viel in Berlin im Umbruch. Da ist es gut, wenn neue Gedenkstätten an frühere Zeiten erinnern, zumal an die Todeszeiten – wie das Holocaust-Mahnmal neben dem Brandenburger Tor.
Manches dagegen ist spurlos verschwunden – so der Palast der Republik, zum Groll der einen und zur Genugtuung der anderen. Die Kulisse des Stadtschlosses dagegen ist jetzt bald Stein gewordene Realität. Davor wird einmal das Denkmal stehen, das beides zugleich ist: Erinnerung an Früheres – und immer neue Bewegung. Eine riesengroße Wippe soll Denkmal "für die deutsche Freiheit und Einheit" sein, wie es offiziell heißt. Die Wippe soll wach halten, was mit der Wende alles in Bewegung kam – und viele mitnahm in ein neues Leben, in neue Freiheit.
Auch typisch für Berlin: Es scheint ewig zu dauern, bis diese Wippe endlich steht – vor ein paar Wochen kam endlich die Baugenehmigung. Aber vielleicht kann ich sie meinen Enkelkindern wenigstens beim nächsten oder übernächsten Osterspaziergang zeigen. Ich denke, sie werden schnell verstehen: Es kommt darauf an, wohin du dich stellst. Und selbst wenn einer alleine nicht viel wiegt – mit vielen zusammen kommt eine Menge in Bewegung.