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Zwei Freunde streiten für eine gemeinsame Sache und gerade, wenn sie anfangen, erfolgreich zu sein, entwickeln sie sich auseinander, bis sie zu erbitterten Feinden werden. Das ist immer eine dramatische Geschichte.
Morgen, am 30. Oktober wird diese Geschichte um 20.15 Uhr im ZDF erzählt, in dem Film "Zwischen Himmel und Hölle."
Der Ausstrahlungstermin gibt schon einen Hinweis darauf, von wem diese Geschichte handelt. Am Vorabend des Reformationstags erzählt "Zwischen Himmel und Hölle" von Martin Luther. Denn am 31. Oktober jährt sich zum 500sten Mal seine legendäre Veröffentlichung der 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg.
Jetzt, wo das Jubiläum auf seinen Höhepunkt zusteuert, wird Martin Luther selbst zu einer Hauptfigur, in einem spannenden, unterhaltsamen Film. Und auch dieser zeigt die erste Ursache der Reformation mit Luthers Beschwerden über den Handel der Kirche mit dem Ablass. Mit dem Ablass konnte man sich zu Luthers Zeiten von seinen Sünden freikaufen, für Geld konnte man die drohende Zeit der himmlischen Sündenstrafe im Fegefeuer verkürzen – ein einfacher und einträglicher Handel:
"So wie das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!"
Filme über Martin Luther hat es schon viele gegeben. Längst ist der Lutherfilm ein eigenes, kleines Genre.
Die Filme erzählen nicht nur von Luther, sie zeigen auch immer, wie Luther im Lauf der Zeit gesehen wurde. Die ersten Filme stammen aus dem nationalistischen Klima der Zeit vor und während des ersten Weltkriegs, in ihnen ist Luther der deutsche Held, der das Land vom fremden Einfluss der römisch-katholischen Kirche befreit. In der Gegenwart ist das Bild differenzierter geworden – sowohl das von Martin Luther als auch das von der Reformation. "Zwischen Himmel und Hölle" macht am 30. Oktober zwei Punkte besonders deutlich: Martin Luther war ein ambivalenter Charakter, der in seinem Leben widersprüchliche Aussagen vertrat, und die Reformation ist zwar mit ihm untrennbar verbunden, ging aber nicht nur von ihm aus. Sie wurde nur deshalb erfolgreich, weil viele verschiedene Menschen und Gruppen sie beförderten. Menschen wie Luthers Landesfürst Friedrich der Weise und sein enger Vertrauter Georg Spalatin.
Luther ist nur ein Professor an Friedrichs Universität in Wittenberg, als sich der Fürst und sein Berater über eine neue Verkaufstaktik des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg unterhalten:
FRIEDRICH: Ablass für Verstorbene? Wie soll das gehen? Sünden müssen bereut werden.
SPALATIN: ...können beim Erzbischof Albrecht von Brandenburg für vier Groschen aber vergeben werden.
FRIEDRICH: Vier Groschen für ein verpfuschtes Leben! Ich sollte nach Brandenburg gehen.
SPALATIN: Wir müssen eingreifen. Das Geld der Bürger wird nach Rom gespült. Wir müssen handeln.
FRIEDRICH: Ich kann mich nicht gegen den eigenen Bischof auflehnen.
SPALATIN: Drum muss ein anderer den Skandal für Euch öffentlich machen.
Im Film sind es also Friedrich der Weise und Spalatin, die beschließen: es soll Luther sein, er soll öffentlich gegen den Ablass protestieren. Dieser will aber im Film gar nicht öffentlich protestieren, sondern lediglich forschen und muss von Spalatin beinahe überredet werden.
SPALATIN: Wie ich höre, habt Ihr diese Thesen wider den Ablass aufgestellt.
LUTHER: Ja, gemeinsam mit meinem Freund Bodenstein.
SPALATIN: Diese Thesen gehören veröffentlicht. Am Besten sofort.
LUTHER: Ich will mich nicht gegen meinen Bischof stellen, oder gegen die Obrigkeit aufbegehren. SPALATIN: Es gibt Obrigkeit und Obrigkeit. Ein Streitgespräch darüber wäre zum Nutzen aller. Ihr seid noch zufrieden an unserer neuen Universität, Professor?
LUTHER: Oh ja. Die Lehre liegt mir sehr. Es gibt noch so viel gemeinsam in der Heiligen Schrift zu entdecken.
SPALATIN: Professoren müssen sich streiten.
So kommt es zur Veröffentlichung der Thesen. Und sie begeistern auch Thomas Müntzer. Auch er ist eine der wichtigen Persönlichkeiten in der Geschichte der Reformation, im Film wird er zur zweiten Hauptfigur. Hochgehalten wurde Müntzer in der DDR wegen seiner revolutionären Einstellung – und in der Bundesrepublik lange ignoriert, aus demselben Grund. In Wirklichkeit sind sich Martin Luther und Thomas Müntzer wohl nie begegnet. Aber der Film nimmt sich hier eine dramaturgische Freiheit: Die beiden Männer werden enge Freunde, die gemeinsam an der Reformation der Kirche arbeiten und gemeinsam vorwärts preschen. Sie sind sich so nahe, dass Luther sich im Film an Müntzer wendet, kurz bevor er nach Worms reist, wo er beim Reichstag vor dem Kaiser reden soll.
LUTHER (zu Müntzer): Und wenn Du auch mitkommst?
MÜNTZER: Was, ich?
LUTHER: Seit an Seit.
MÜNTZER: Du lässt doch keinen gelten neben Dir. Du hast die Weisheit mit Löffeln gefressen. Du bist besessen, berauscht von Deinen Worten und Dir selbst.
Hier werden schon die ersten Risse in der Freundschaft sichtbar und das Drama beginnt, die Risse werden im Verlauf der Geschichte immer stärker. Dadurch gewinnt der Film seine Dynamik – und das Fortschreiten der Reformation wird, "Zwischen Himmel und Hölle", allmählich immer düsterer.
Neben der angeblichen Freundschaft von Müntzer und Luther gibt es noch einige andere dramaturgische Freiheiten im ZDF-Film "Zwischen Himmel und Hölle." So singen Müntzer und Luther in einem Gottesdienst "Geh aus mein Herz, und suche Freud" – ein Lied, das Paul Gerhard erst 100 Jahre später geschrieben hat. Und Luther übersetzt auf der Wartburg den Psalm 23, obwohl der Psalm im Alten Testament steht und Luther dort auf der Wartburg das Neue Testament übersetzt hat. Doch diese Freiheiten hängen zusammen mit einer grundsätzlichen Frage, mit der sich die Macher des Films intensiv beschäftigt haben: wie kann man die Reformation für ein heutiges Publikum interessant machen? Die Antwort der Filmemacher ist eine Frage, auf die sich der Film dann auch konzentriert - auf welche Art ist eine Gesellschaft am ehesten zu verändern? Kommen Verbesserungen durch Reformation – oder durch Revolution? Durch allmähliche Arbeit und Gespräche – oder durch gewaltsame Aktionen? Die beiden möglichen Antworten verteilt der Film "Zwischen Himmel und Hölle" auf Martin Luther und Thomas Müntzer, ohne freilich dem Zuschauer die Wertung ganz abzunehmen:
LUTHER: Keine Gewalt. Die Forderungen der Bauern müssen auch anders
durchzusetzen sein.
MÜNTZER: Alles Reden, alles Bitten, alles Betteln wird von den hohen Herrn durch Missachtung verhöhnt. Die Bauern werden gemeuchelt.
LUTHER: Wir müssen miteinander reden.
MÜNTZER: Ah, und wann hat dein Fürst das letzte Mal mit Dir geredet? Gott musst Du fragen. LUTHER: Das habe ich getan. Aber wenn ich bete, verändert das nicht die Welt. Es verändert nur mich.
MÜNTZER: Das reicht nicht mehr. Jetzt geht’s um die ganze Welt.
LUTHER: Die ganze Welt. Die ganze Welt.
MÜNTZER: Feigling. Du mieser Verräter. Du hast die Reformation an die Herrschenden verraten. Feigling. Du Verräter, du Feigling.
Und diese Frage nach Reformation oder Revolution ist auch in der Gegenwart brisant. Menschen finden, heute wie damals, ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Für Thomas Müntzer war die Antwort eindeutig. Erfolglos in seinen Anstellungen als Pfarrer wurde er 1525 einer der Anführer im Aufstand der Bauern. In seinen Reihen wehte die Regenbogenfahne, die bis heute als Zeichen für Freiheit verwendet wird, nicht nur in der schwul-lesbischen Bewegung. Müntzer wollte mit der Fahne an den Regenbogen erinnern, den Gott nach der Sintflut in den Himmel setzt, als Zeichen des Bundes, den er mit den Menschen schließt. Als Werkzeug Gottes verstand sich Müntzer gerade als Revolutionär. Seine Ansichten sind radikal, reiche Menschen waren ihm ein Gräuel gegen Gott.
MÜNTZER: Jesus ist in einem Viehstall geboren; er steht auf der Seite der Armen und Unterdrückten. (…) Omnia sunt communia! Alles soll allen gehören!
Im Film "Zwischen Himmel und Hölle" setzt Luther auf das Gespräch mit den Fürsten – und wirkt dadurch wie ein Verräter am einfachen Volk. Müntzer hingegen ist ein Idealist und Menschenfreund – und gerade dadurch wird er zum Fanatiker. Wo liegt also die Antwort? Wo liegt die Wahrheit? Gibt es einen Weg, den man für sein Leben wählen kann, ohne etwas zu verraten – die Menschen, die man liebt, die Ideale, die einem wichtig sind? Der Film macht es sich mit dieser Frage nicht leicht und er zeigt, dass die Antwort letzten Endes immer eine eigene, persönliche bleiben muss. Aber auch ohne diese großen Fragen funktioniert "Zwischen Himmel und Hölle" als unterhaltsamer Film.
Er ist hochkarätig besetzt. Christoph Maria Herbst spielt den Maler und Druckereibesitzer Lucas Cranach, Joachim Krol spielt Albrecht von Brandenburg, der den Ablass voranbringen möchte, und Armin Rohde spielt einen Ablasshändler, der sich am Vorbild des berühmten Ablasspredigers Johann Tetzel orientiert. Aber vor diesen prominenten Namen ragen vor allem die beiden Darsteller von Martin Luther und Thomas Müntzer heraus. Maximilian Brückner, bekannt als Tatort-Kommissar, ist ein sehr ungewöhnlicher Luther. Brückner selbst ist katholisch, lebt in Oberbayern und gelegentlich hört man den süddeutschen Zungenschlag durch. Aber Brückner ist so dynamisch, so energiegeladen, lebendig und getrieben, dass ihm seine Rolle problemlos abnimmt. Von seinem Luther geht eine Bewegung aus, die die ganze Welt verändert. Und Jan Krauter als Thomas Müntzer ist eine besondere Entdeckung des Films. Am Anfang wirkt Krauter fast wie ein Robin Hood, der die reichen Ablasshändler im Wald bestiehlt und seine Beute an die Armen verteilt. Aber dann entwickelt sich sein Thomas Müntzer, schöpft immer mehr Hoffnung, die Welt tatsächlich verändern zu können und wird schließlich zu einem fanatischen Anführer des Aufstands.
Der Film bietet Bilder, die man in einem Fernsehfilm nur selten sieht. Karge, kalte Landschaften, düstere Klöster, prunkvolle Gemächer von Kirchenfürsten – all das erinnert eher an Kinofilme wie "Der Name der Rose" und macht "Zwischen Himmel und Hölle" auch zu einem visuell eindrücklichen Film. Die aufwändigen Dreharbeiten in Tschechien haben sich gelohnt.
Der Film zeigt mit seinen Charakteren und Bildern ein Panorama der Zeit Luthers. Nicht alles ist genau so gewesen, wie es "Zwischen Himmel und Hölle" zeigt. Aber vielleicht gelingt es dem Film gerade deshalb, den Geist der Zeit ebenso einzufangen wie ihre Dynamik, die von kleinen Anfängen zu umfassenden Veränderungen führt. "Zwischen Himmel und Hölle" erzählt von Menschen, die unter der Welt leiden und die das Glück für sich und andere suchen. Und dieses Thema ist nach 500 Jahren immer noch aktuell.
Musik dieser Sendung:
- Bob Dylan, Not dark yet, Out of time
- Tom Waits, Fannin Street, Orphans