Immer mehr Gegenstände
Die kleinen Ziegen aus weißem Porzellan von Oma – eine Erinnerung an ihre eigenen Ziegen, damals im alten Haus der Familie. Dazu das Milchkännchen von Uroma, in dem sie die Ziegenmilch auf dem Holzofen warm gemacht hat – schon fast hundert Jahre alt. Die Mitbringsel von meinen eigenen Reisen – jedes mit einer Geschichte verbunden. Mein Haushalt enthält viele Dinge, die keinen materiellen Wert haben, aber doch einen ideellen. Und leider bin ich so erzogen, dass man am besten selbst die Dinge anschafft, die man braucht. Dabei haben sich die Omas und Großtanten vor und nach dem 2. Weltkrieg doch noch so viel geteilt. Gutes Geschirr, Kuchenbackformen, Tischdecken, so manches Werkzeug. Doch das Wirtschaftswunder machte es möglich: Alles meins. Meine Möbel, mein Werkzeug, mein gutes Geschirr, meine guten Gläser für alle Gelegenheiten, meins, meins, meins. „Halte die Dinge in Ehren“, sagten die Großeltern zu mir. Sie hatten es ja unter viel Arbeit alles nach dem Krieg selbst verdient.
Und jetzt sitze ich in den vielen Dingen. Und habe mich zugebaut damit. Und immer mehr kommt hinzu. Das geht vielen so. Deshalb sind die Aufräumcoaches im Trend. Ich lese: Vor 100 Jahren hatte ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland rund 180 Gegenstände – heute sind es hingegen 10.000. Und pro Person fallen jährlich fünfeinhalb Kilogramm Altkleider an. Das ergab 2022 fast eine halbe Million Altkleider und andere Alttextilwaren.
Alle Dinge gemeinsam haben?
Das Anhäufeln und Horten ist auch kein biblisches Rezept, im Gegenteil:
„Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“ So soll es laut Evangelist Lukas in den ersten christlichen Gemeinden gewesen sein –. Doch ganz so war es wohl nicht. Es war auch damals schon eine Utopie, ein Idealbild einer christlichen Gemeinde, die Lukas beschreibt. Er berichtet nämlich auch von einem reichen Ehepaar, das nicht alles teilt, sondern sich heimlich was auf die Seite schafft. Für so einen Urkommunismus scheint nicht jede und jeder geschaffen. Und doch: Es soll gerecht zugehen in der Gesellschaft. Alle sollen genug zum Leben haben. Die Rezepte in der Kirche heißen Spenden, Teilen, verschiedenste Hilfsangebote. Immer wieder leuchtet hier und da ein Stück des Ideals der ersten christlichen Gemeinde auf. Manchmal an Orten, wo man sie kaum vermutet.
Bibos Chakalaka
Beim Aufräumen und Entscheiden, was nun doch endlich weggeworfen werden kann und was bleiben darf, schaue ich eine Talkshow. Der 2-Sterne-Koch Tim Raue ist da zu sehen. Er erzählt von seinen kulinarischen Reisen mit einem Fernsehteam. In Kapstadt in Südafrika wird er von Bibo eingeladen. Eine Frau, die seit zwölf Jahren für eines der 50 besten Restaurants der Welt in Kapstadt arbeitet. Doch sie lebt in einem Township. Khayelitsha heißt es. Man schätzt, dass fast 1,5 Millionen Menschen hier leben - zum Teil in sehr großer Armut. Tim Raue kann die Tränen bei seinem Besuch nicht zurückhalten, erzählt er. „Weil diese Armut, die ich dort gesehen und gespürt habe…“, die überwältigt ihn. Der Gestank, hunderte Fliegen. „Bibo ist privilegiert, sie hat eine eigene Toilette. Sonst teilen sich hier 1500 bis 2000 Menschen ein Dixieklo. … Das hat mich sehr demütig gemacht über den Luxus, in dem wir leben…“, sagt Tim Raue. Bibo hat Chakalaka für ihn gekocht. Das findet er ein tolles Gericht. Er möchte die Küche der Unterprivilegierten und die Küche der Privilegierten miteinander verbinden. Und er erlebt immer wieder auf seinen Reisen, dass ausgerechnet die, die arm sind, teilen. „Das Wenige, was sie haben, offerieren sie dir sofort. Sie öffnen die Türen, sie öffnen ihr Herz.“ So soll es unter uns sein. Hier leuchtet etwas von der ersten Gemeinde auf. Gut, dass Tim Raue davon erzählt hat und gut, dass er Bibo begegnet ist. Das rückt die Perspektiven gerade. Wie die Geschichte von der ersten christlichen Gemeinde, in der alle auf Gott hören und teilen, was sie haben – Glauben und Geld. So, und diese Sachen gehen jetzt ins Sozialkaufhaus. Sie sind zu gut zum Wegwerfen. Und einen Grill für den Garten kauf ich nicht. Bestimmt kann ich bei Bedarf einen vom Nachbarn haben.
Die Geschichte über die Urgemeinde ist eine Geschichte, die erzählt, wie es zwischen Glaubensgeschwistern sein soll. Die Geschichte vom gelungenen Anfang macht Mut, es immer wieder zu probieren. Gemeinschaft macht frei. Teilen. Feiern. Gemeinsam essen und trinken. Horten und mich abkapseln hingegen ziemlich sicher nicht.