Wort zum Tage
Leidenschaft
25.02.2019 05:20
Sendung zum Nachlesen

Sobald der Schnee dafür ausreicht, hole ich meine Langlaufsachen raus und die Loipe ruft.

Innerhalb kürzester Zeit bin ich dann bester Laune. Ich gleite durch die Winterlandschaft, alle Außengeräusche sind wie runtergedimmt. Ab und zu kommt mir mal jemand entgegen, wir grüßen uns freundlich. Nur das leise Knirschen des Schnees unter den Brettern, wenn ich die Arme kräftig abstoße. Mit dem Tempo spüre ich mein Atmen, sonst nichts. Gedanken kommen und gehen.

Die dick verschneiten Bäume sind ein vertrautes Bild von früher. Schon vor der Schule brachten mir meine Eltern das Langlaufen bei. Damals gab es keine gespurten Loipen, mein Vater stapfte mit kräftigen langen Schritten auf seinen Tourenskiern voran. Oft hatte er dicke Schneeklumpen unter den Füßen, aber durch jeden Wald kamen wir durch. Manchmal holte er im Nebel den Kompass raus und zeigte mir, wie ich ihn einnorden muss. Ein Butterbrot auf die Hand und weiter ging‘s. Meine Mutter lief immer dicht hinter mir her und munterte mich auf: „Schön, du schaffst das! Bald kommt die Hütte, da gibt es warmen Kakao.“

Die ersten Jahre kam ich mit meinen kurzen Beinen kaum voran, es war klirrend kalt und manchmal flossen verzweifelte Tränen.

Später die ersten kleinen Hügel, die ich mit weit aufgerissenen Augen runterrutschte. Unten ein erleichtertes „Juhu“.

Und irgendwann fühlte ich keine Qual mehr, nur noch Leichtigkeit. Eine tiefe Freude und Genugtuung, wenn ich merkte, die Skier gehorchen mir, auch bei größter Unwegsamkeit, und ich komme schnell und geschmeidig voran.

Kaum ein Berg war mehr zu hoch, keine Strecke mehr zu weit. Als Jugendliche dann mancher Wettlauf mit meinem Vater, während meine Mutter nicht mehr folgen konnte.

Ja, das Langlaufen ist mir eine liebgewordene Leidenschaft – bis heute. Und ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mir dieses Rüstzeug mit auf den Weg gegeben haben.

Denn auf der Loipe ist alles andere vergessen, hier zählen nur die Weite und die Ruhe. So als wäre ich ganz eins mit der Welt, die mich umgibt. Keine Fragen und lästige Störgeräusche oder Stimmengewirr. Niemand, der mich ablenken oder verunsichern will. Dann ist es da, das Gefühl, das ein Psalmbeter in der Bibel so beschreibt: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103,2)

Ich glaube, Hobbys, die zu Leidenschaften werden, sind mehr als eine Unterbrechung des Alltags. Ob nun Laufen, Gärtnern, Reiten oder Lesen.

Wenn ich leidenschaftlich bei einer Sache bin, bin ich ganz bei mir. Und ich merke wieder, was wichtig ist und mich erfüllt. Staune über das Einfache, das Wunderbare.