Wort zum Tage
Wes das Herz voll ist...
Über das Beten
07.10.2019 06:20
Sendung zum Nachlesen

Vom Hort hole ich Marie zur Christenlehre ab. Als sie in mein Auto steigt, schnattert sie sofort los. Was in der Schule so war, von ihrer guten Note in Deutsch, vom Streit mit einer ihrer Freundinnen, von der für sie ungerechten Klärung der Situation durch die Lehrerin. Sie ist aufgeregt und zornig. Ich lasse dem kindlichen Redeschwall auf unserer Fahrt zum Kirchgemeindehaus seinen Raum, frage nach, höre zu. So kann sie erzählen, ihre Gefühle aussprechen, ihr Herz sortieren.

„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ sagt Jesus. (Matthäus 12,34)

Was uns innerlich bewegt, das strahlen wir auch aus.

Wenn unser Herz voller Bitterkeit und Zorn ist, weil wir Unrecht erlebt haben oder weil wir verletzt worden sind, strahlen wir das aus. Gut, wenn dann jemand da ist , der uns hilft, unsere Verletzungen anzusehen, eine, die unsere Enttäuschung über die Ungerechtigkeit ernst nimmt.

Marie hat im Erzählen schon selbst eine Lösung gefunden. „Sie ist doch meine Freundin!“ Am nächsten Tag hat Marie mit ihrer Freundin gesprochen und sie haben verstanden, dass ihre Freundschaft viel wichtiger ist als der Streit und der Impuls, recht behalten zu müssen. Für die Kinder war dann nicht mehr wichtig, was die Lehrerin entschieden hatte. Deren ungerechtfertigte Strafe hat Marie mit ihrem Vater besprochen und eine Lösung gefunden. Aus Zorn wurde Mut. Sie hat ihre Ohnmacht überwunden.

„Wes das Herz voll ist …“ das geht von uns aus. Dann ist ein Gegenüber wichtig, dem wir ohne Scheu davon erzählen und unsere Gedanken sortieren können, die uns dabei begleitet, die Kraft hinter unserem Zorn zu spüren und Bitterkeit abzulegen.

Ein Weg, mit meinen Gefühlen umzugehen, ist für mich das Gebet. Gott kann ich alles sagen, offen, ungefiltert, auch mit den Gefühlen, die ich selbst hässlich finde. Betend setze ich mich hin, spüre meinen Körper, folge dieser und jener Spannung und fühle den Gefühlen nach, die dahinter stehen. Das ist der wichtigste Schritt. Ich nehme mich selbst wahr und weiß dabei: Gott nimmt mich so an, wie ich bin. Was ist, darf sein. In einer Zeit der Stille, im Erzählen oder Aufschreiben können sich die Gefühle wandeln. Aus Angst wird Zuversicht: Gott wird eine Lösung schenken; aus Verzweiflung wird Vertrauen: ich nehme das jetzt aus Gottes Hand; aus Zorn wird Verstehen: ich kann den größeren Zusammenhang sehen; aus Ohnmacht wird Mut: ich werde losgehen und etwas verändern. Mein Herz sortiert sich. Hinter dem, was düster im Vordergrund stand, strahlen nun Energie und Dankbarkeit auf. Das Leben bekommt wieder Farbe. Und in meinem Herzen kann die Liebe wieder Raum greifen.

„Wes das Herz voll ist ...“ das bestimmt unser Leben.

 

Es gilt das gesprochene Wort.