Der Haupteingang zum „Haus der Religionen“ in Bern ist verschlossen, drinnen höre ich die Handwerker arbeiten. Die meisten Bereiche machen Sommerferien. Auch der Eingang zur Moschee ist zu. Die Tür zum Hindutempel lässt sich öffnen. Etwa ein Dutzend Menschen beleben den Raum. Ein paar Kinder spielen auf dem Boden. Eine Frau ist andächtig mit einer Puja beschäftigt. Einige Männer sitzen in einer Nische des Tempels und diskutieren leidenschaftlich. Ein freundlicher Herr kommt auf mich zu. Wir kommen ins Gespräch. Es ist Nasaraja Parmasira, er ist ein Tamile und stammt aus Srilanka. Hochdeutsch spricht er nur gebrochen, das aber will er mir unbedingt mitteilen.
Ich sitze eine Weile auf dem Boden des Hindutempels und schaue dem Treiben zu. Bis mich Marco Röss entdeckt. Mit ihm bin ich verabredet. Er ist Buddhist und nimmt sich die Zeit, mir über das Projekt zu erzählen.
Marco Röss: Also das ist ein Verein eigentlich, der 2002 gegründet wurde „Haus der Religionen – Dialog der Kulturen“. Und dann wurde später eine Stiftung noch gegründet unter demselben Namen, die verantwortlich war jetzt für den Bau. Wir haben natürlich Mitgliederbeiträge wie jeder Verein und ganz viele Spenden von Einzelpersonen. Wir haben größere Spenden oder Beiträge auch, die fix sind über ein paar Jahre von den Landeskirchen, weil sonst könnten wir ja auch niemanden anstellen und Lohn zahlen, wenn man das nur so von Monat zu Monat wüsste. Das Land hat man für dieses Projekt für günstig gekriegt, das ist auch eine Art Subvention von der Stadt, der Stadt hat das gehört. wir haben hier etwa 17, 18 % der Bruttogeschossfläche für das Haus der Religionen, wo wir Stockwerkeigentümerin sind, das ist die Stiftung. Und die Stiftung vermietet es eigentlich an den Verein und der vermietet es auch weiter an die einzelnen Religionsgemeinschaften, die eigentlich eine Jahresrohbaumiete zahlen pro Quadratmeter. Und die auch den Ausbau selber finanzieren mussten.
Mich interessiert wie es zu diesem Projekt kam…
Marco Röss: Also ganz am Anfang war schon diese räumliche Not, dass man gesagt hat, das ist unwürdig, wenn da eben eine Moschee in einem Keller ist oder da in einer Kehrrichtverbrennungsanlage in einem Nebenraum hat es einen Hindu-Tempel. Aber als man so weit war mit der Idee, dass man gesagt hat, ok, wir machen so was wie eine Wohngemeinschaft, eine WG, da wird auch alles ein bisschen günstiger, dann war es ja auch klar, denke ich, dann sollte man auch miteinander reden, wenn man zusammen wohnt. Deshalb auch dieser zweite Titel „Dialog der Kulturen“. Das war ziemlich schnell klar, dass das beides seine Wichtigkeit hat.
Senab Amati setzt sich zu uns. Sie ist eine junge Frau aus dem Iran. Sie arbeitet im Dialogbereich, informiert Besuchergruppen und bereitet interreligiöse Veranstaltungen vor. Sie selbst ist Muslima, aber ihr ist wichtig, dass sie in einem Team arbeitet.
Senab Amati: Ja, in unserem Team sind glaube ich alle Religionen vertreten. Im Dialogbereich treffen sich diejenigen Religionen, die hier auch ihren eigenen sakralen Raum haben, das ist zum einen der Islam, der Hinduismus, das Alevitentum, das Christentum und Buddhismus. Aber am Dialog beteiligen sich auch der Judentum, die Bahai und die Sikkh.
Hier in Bern sind am „Haus der Religionen“ die Religionsgemeinschaften beteiligt, die es vor Ort in Bern gibt. Marco Röss erklärt mir die Hintergründe:
Marco Röss: Wir sind ja hier eigentlich von Bedürfnissen ausgegangen mal, welche Religionsgemeinschaften haben ein Bedürfnis räumlicher Art, welche Religionsgemeinschaften sind an einem Dialog interessiert und ganz regional hier im Westen von Bern, was ist da gefragt. Das ist auch nicht ein Projekt von oben gegen unten, sondern von unten gegen oben und eben auch nicht beschränkt auf die drei abrahamitischen Religionen oder auch nicht darauf beschränkt auf die Weltreligionen, weil da ist die Frage wieder, wer gehört zu den Weltreligionen und wer nicht. Ich denke, eine große Qualität ist eben, dass es nicht nur von oben gegen unten geht, dass es einerseits hat es zu tun mit den Finanzen. Wir sind finanziell sehr breit abgestützt, das verbindet natürlich auch, wenn da nicht einfach der Staat ein paar Millionen gibt und dann steht da so ein Haus, sondern man muss sich das richtig erarbeiten über Spenden usw. Oder wir versuchen schon auch, für Podiumsdiskussionen, auch Menschen aus den Gemeinschaften dazu zu nehmen, also nicht immer zu fragen, ja welchen Bischof und welchen Abt können wir einladen, sondern auch mit den regionalen Ressourcen, die wir haben und die Ressourcen im Haus zu nutzen. Ich denke, das ist eine Stärke.
Ich vermute, dass die größere Spannbreite der Religionsgemeinschaften auch eine Vielzahl von Spannungen mit sich bringt. Für Senab Amati ist der Umgang mit Konflikten wichtig:
Senab Amati: Konflikte gibt es bestimmt immer, das braucht es auch, um einen Dialog anfangen zu können, also das ist eine Voraussetzung, wir sind auch froh darum. Es ist aber einfach wichtig, dass man offen gegenüber anderen Meinungen, anderen Perspektiven ist und auch versucht, die ein wenig zu verstehen und sich in andere hineinversetzen kann. Aber Konflikte gibt es immer und überall, //die führen dann zum Dialog.
Auch Marco Röss findet, dass der gute Umgang mit Konflikten Teil der Projektidee ist.
Marco Röss: Also man muss auch sehen, dieses Haus ist ja noch sehr jung. Also das Projekt ist über 10 Jahre alt, 15 Jahre alt oder so. Dass wir hier im Haus sind, ist ja seit Dezember 14. Und da waren viele Fragen, Geld usw. und beim Bau, wie organisiert man sich und dann, jede Religionsgemeinschaft war damit beschäftigt, nicht nur Geld zu sammeln, sondern überhaupt mal einen Verein auf die Beine zu stellen. Und das alles aufzubauen, frisst extrem Ressourcen, sprich, man darf sich jetzt nicht vorstellen, dass wir da im ersten Jahr schon dauernd nur rumlaufen und über hochtheologischste Problematiken sprechen, sondern wir sprechen vor allem im Alltag darüber, wo soll wer wie den Müll entsorgen und wie ist es mit Lärm: Was für den einen schöner Gesang oder Orgel ist, ist für den anderen schon störender Lärm usw. Also es ist eine Art religiöser Wohngemeinschaft und in Wohngemeinschaften hat man auch nicht nur diese philosophischen Debakel, sondern halt auch den ganzen Alltag, WC, Küche, Wohnzimmer usw.
Dass es aber nicht nur um Alltagsprobleme geht, daran erinnert Senab Amati.
Senab Amati: Also der innerreligiöse Dialog, der ist immer ein wenig schwieriger als der interreligiöse Dialog, weil man ja trotzdem sehr viele Gemeinsamkeiten hat. Und es ist immer schwierig, wenn die Gleichen eigentlich doch so anders sind, die die hier mitmachen, denen war von Anfang an bewusst, auf was sie sich einlassen und ja, also jetzt, wenn Sie das Alevitentum ansprechen, es ist eine Abspaltung aus dem Islam. Nicht jeder Alevit würde sich auch gleichzeitig als Muslim bezeichnen und eben in der Türkei vor allem ist die Situation sehr angespannt, und das merkt man hier vielleicht auch zwischendurch. Aber ich denke, die Personen, die hier jetzt im Haus vertreten sind und die hier regelmäßig mitmachen, sind sich bewusst, dass jetzt dieser Islam, der hier gelebt wird, vielleicht nicht derselbe ist wie in der Türkei oder wie eben von den Extremisten, die andere Richtungen nicht akzeptieren.
Doch es gibt sie, die Extremisten. Fast jede Woche hören wir von Anschlägen und in den letzten Monaten immer wieder Terrorakte auch mitten in Europa.
Marco Röss: Ja, wir wollen ja nicht auch einfach noch was draufsetzen, was die Medien schon dauernd tun, das ist ja manchmal auch ein bisschen einseitig, also müssen wir uns auch überlegen, können wir einen anderen Aspekt zeigen. Oder müssen wir jetzt unbedingt auch noch zum fünfhundertachtundneunzigtausendsten Mal über Kopftücher sprechen. Und dann gibt es natürlich diese Ereignisse, die schlichtweg erschütternd sind, diese ganzen Terroranschläge und so weiter, wo wir hier im Haus natürlich auch speziell damit verbunden sind, weil wir haben hier z. B. eben Leute, die aus der Türkei kommen. Oder Leute, die aus Sri Lanka kommen, sogar beide Parteien. Wir haben hier Tamilen im Hindu-Tempel aus Sri Lanka und wir haben Buddhisten, Singhalesen aus Sri Lanka. Und für diese Menschen ist das so oder so ein Thema. Die haben Verwandte da, die haben Freunde da und das ist immer wieder eine neue Frage, für die wir jetzt nicht eine Antwort haben für immer und ewig, sondern das überlegen wir uns immer von Fall zu Fall.
Marco Röss: Und dann ist einfach die Frage, wollen wir einen Gegenpol setzen gegen diesen Irrsinn oder wollen wir es nicht. Und wir sind ja auch nicht angetreten, jetzt international die Welt zu verändern, auch wenn das schon ein bisschen ausstrahlt. Wir sind ein kleines Projekt Bern-West und müssen erst mal gucken, mit diesen Problemen hier zu Rande zu kommen.
Mich interessiert, wie die Beteiligung am „Haus der Religionen“ zurückwirkt auf die je eigene Religion. Marco Röss erzählt von den Herausforderungen, denen sich alle gleichermaßen stellen:
Marco Röss: Man trifft hier wirklich ganz viele spannende Leute. Jetzt für die eigene Religion ist es, denke ich, spannend, weil man wird ja auch herausgefordert. Man kriegt Fragen an den Kopf geworfen, die unerwartet sind, mit denen man sich normalerweise in seiner kleinen Welt von seiner eigenen Religion nicht so genau damit beschäftigt. Oder Schulklassen kommen, Kinder fragen auch immer wieder andere Sachen. Also, diesen Stoff zu kriegen, um sich dann wieder selbst damit auseinanderzusetzen, ja, wie ist das jetzt bei mir zu Hause, wie ist das in meiner Religion, das finde ich sehr spannend.
Am Ende treffe ich im „Haus der Religionen“ auf Renate Jordi. Sie ist Christin und führt mich in ihren Kirchraum und erklärt, wie sich die Idee dieses Hauses in dem Raum ablesen lässt.
Renate Jordi: Es gibt eine wunderschöne Decke, die so gestaltet ist, dass man das Gefühl hat, sie geht über den Raum hinaus. Also, der Himmel lässt sich nicht eingrenzen. Das andere ist, unsere alten, eingesessenen Konfessionen, die sagten, wir brauchen doch keine kirchlichen Räume und die anderen sagten, es geht aber nicht, dass wir hier ein Haus der Religionen bauen, ohne dass die Kirche irgendwie präsent ist. Und dann sind wie immer mal hilfreich die Herrenhuther und haben gesagt, na ja schön, dann brauchen wir halt nen Raum und den teilen sie sich jetzt mit einer orthodoxen äthiopischen Gemeinde und für die Herrenhuther muss alles möglichst schlicht und weiß sein und irgendwo hängt der Stern und fertig. Und für die Orthodoxen wären am besten natürlich sämtliche Wände und die Decke und alles farbig bemalt. Das haben sie nicht durchgekriegt, die Herrenhuther haben nicht nur weiß, die Orthodoxen haben nicht nur bunt, die Kirche ist weiß und bunt. Für die Orthodoxen braucht es einen abgetrennten heiligen Bereich, wo die Bundeslade untergebracht ist. Ja, wir haben bei der Einweihung von der Kirche noch nen Blick reingeworfen, haben gesehen, mit wie viel Aufwand und Schönheit diese Bundeslade dort gearbeitet wurde,
Zugang hat der Priester – und der Chef von der Feuerwehr.