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Wer morgens um 9 Uhr im Baumarkt unterwegs ist, hat Großes vor: da, wo es nach Holz duftet und Sägemaschinen heulen noch schnell Material für den nächsten Auftrag abholen. In der Gartenabteilung, wo sich Vogelgezwitscher unter Radiomusik mischt, Pflanzen für die Sommerfigur des heimatlichen Balkons aussuchen. Früh am Tag möglichst alles für das nächste Renovierungsprojekt besorgen.
Im Gang mit den Wandfarben hält Julia eine Palette mit vier Quadraten von Terrakotta-Rot bis Peach-Pastell in einen Lichtkasten hinein. Die Farbe ihrer Wahl – Koralle - soll unter allen Umständen gut aussehen: im warmen LED-Licht genauso wie unter Neon-Leuchten. In der ersten gemeinsamen Wohnung mit Paul soll alles perfekt werden. Der beugt sich auch über die zwei Lichtkästen. Er scheint noch nicht überzeugt. „Da hinten fällt Sonnenlicht durchs Dach“, schlägt Paul vor. Gemeinsam wenden sie die Farbpalette in den Sonnenstrahlen. Es soll ja extra schön werden! Und hier geht es nicht nur um die Wände.
Der perfekte Farbton soll in der ersten gemeinsamen Wohnung die perfekte Atmosphäre schaffen. Das soll schon beim ersten Anstrich funktionieren. Denn Übermalen hat etwas von Korrektur und die kennen die meisten nur mit bedrohlichen Rotstiften. Und wer will schon etwas in seinem Leben korrigieren müssen; oder erst recht korrigieren lassen?
Dabei können Neuanfänge hilfreich sein, wenn man großzügig genug auf sein Leben schaut und sich traut, etwas auszuprobieren. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat für das Korrigieren und Ausprobieren im Leben ein barmherziges Begriffspaar gefunden: In dieser Welt leben wir im Vorletzten, das Letztendliche liegt bei Gott. Ich finde, das erleichtert es, mögliche Fehler einzubeziehen und bestärkt das Ausprobieren: Traut euch was! Wir leben im Vorletzten, das Letzte steht noch aus. Wir leben im Vorläufigen. Vollendung müssen wir Gott überlassen; und das können wir getrost tun. Daran glaube ich. Wir müssen also keine Scheu vorm Ausprobieren haben. Wir können so viele Farben probieren, wie wir brauchen. Die erste Wahl muss nicht perfekt sein. Das entlässt uns nicht davon, das Beste zu geben, und die gemeinsame Wandfarbe sorgfältig und rücksichtsvoll füreinander auszusuchen. Aber es eröffnet uns einen weiteren Möglichkeitsraum: Darum ein Hoch auf alle Fehlgriffe, Flecken und Ausbesserungen! Und ein noch größeres Hoch darauf, einen neuen Anstrich zu wagen.
Es gilt das gesprochene Wort.