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Die Festtage sind vorbei, aber Weihnachten geht noch weiter. Weihnachten ist nicht nur das Fest der Familie. Weihnachten zeigt auch den Weg aus einem Dilemma. Nämlich aus dem Dilemma, dass in dieser Welt erfolgreich ist, wer sich gegen andere durchsetzt. Der paradiesische Zustand, in dem der Löwe friedlich bei dem Lamm liegt und das Kind ohne Gefahr am Loch der Otter spielt, ist ein Hoffnungsbild, aber die Welt sieht anders aus. Da frisst der Starke den Schwachen. Da tobt der Verdrängungskampf sogar zwischen den Pflanzen. Wer seine Blätter schneller entfaltet, lässt die anderen verdorren. Und das Gesetz des Stärkeren regiert erst recht bei dem, was der Mensch der Natur zufügt und anderen Menschen antut.
Dieses Dilemma nannte die alte Kirche „Erbsünde“. Der Begriff ist unpopulär. Wie soll man für etwas schuldig sein, das man selbst nicht zu verantworten hat? Doch die individuelle Empörung über dieses Denkmodell gerät ins Wanken, wenn man sich als gesellschaftliches Wesen begreift.
Habe ich mit den Verbrechen der Kolonialzeit wirklich nichts zu tun? Unser Wohlstand ruht auf den Raubzügen unserer Vorfahren. Uns geht es extrem gut in Europa, vielen Menschen in Afrika miserabel. Auch wenn die Gründe vielfältig sind, unsere Startsituation am Beginn der Neuzeit war gut. Die unterdrückten Völker haben sich bis heute nicht von der wirtschaftlichen und kulturellen Ausbeutung durch die Invasoren erholt. Wenn es schon keine Erbsünde gibt, so gibt es doch ererbtes Kapital und ererbte Schulden. Das müssen wir uns eingestehen und daraus leitet sich Verantwortung ab – wenn nicht individuelle Schuld, so doch Schuldverstrickung.
Dem Gedanken, dass wir nicht unbefleckt in dieses Leben treten, kann ich durchaus etwas abgewinnen. Weihnachten ist für mich das Fest, bei dem wir von diesen Zwängen frei werden. Das symbolisiert das Kind in der Krippe. Kaum geboren trifft es die Härte dieser Welt mit grausamer Wucht. Der Herrscher des Landes hat gehört, was man über dieses Kind sagt: Es sei ein neu geborener König. Er fürchtet um seinen Thron und will das Kind ermorden. Seine Machtgier kennt keine Gnade. Aber Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das Kind überlebt und wird als erwachsener Jesus predigen: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“ (Matthäus 5,5) Es muss nicht so sein, dass nur der Starke überlebt. Die Welt kann auch anders sein. Wir können anders sein.
Es gilt das gesprochene Wort.