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Als ich vor ein paar Jahren aus meiner evangelischen Kirche austrat, passierte etwas Seltsames. Im Amtsgericht Pankow. Kann sein, dass es ein Engel war, der in diesem nüchternen Büro durch den diensthabenden Beamten sprach. Es waren nur drei Worte, aber ich wäre am liebsten sofort wieder eingetreten. Stattdessen blieb ich etwa zwei Jahre im konfessionellen Niemandsland, was auch eine interessante Erfahrung war.
In der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe ich folgende Zahl entdeckt: Zwei Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder denken über Kirchenaustritt nach. Zwei Drittel.
Warum ich damals aus der Kirche austrat? Es gab keinen akuten Anlass, eher einen schon Jahrzehnte dauernden Zweifel daran, ob meine Kirche - oder irgendeine Kirche - der richtige Ort ist, um G’tt angemessen zu ehren.
Diesen G’tt, der sich mit dem jüdischen Zimmermannssohn Jesus aus Nazareth identifiziert. Mit Jesus, der G’ttes- und Nächstenliebe als höchstes Gebot bekräftigt und eben keine Kirche gegründet hat, sondern eine Weggemeinschaft, die so zu leben versucht, als sei das Reich G’ttes bereits mitten unter ihnen gegenwärtig.
Meine Frage war also: Hat dieser G’tt genug Platz in einer Kirche mit Agenden und Talaren, mit Steuern und Finanznöten. Und: Brauche ich meine Kirche überhaupt? Ich wollte es wissen - und trat aus.
Als alle Formalitäten erledigt waren und ich schon „Auf Wiedersehen“ sagen wollte, da sprach der Beamte im Amtsgericht Pankow drei Worte vor sich hin. Beiläufig, so wie er vielleicht auch „Ich habe fertig“ sagen würde. Er sagte: „Es ist vollbracht!“ Jesu letzte Worte am Kreuz.
Und plötzlich stand ich auf Golgatha. In diesem Büro im Amtsgericht. Mein Herz hörte das Seufzen eines Sterbenden am Kreuz, von dem ich gar nichts wissen würde, wenn es nicht eine Gemeinschaft seiner Freundinnen und Freunde gegeben hätte, die dieses Seufzen und alles, was davor geschehen war, aufgeschrieben hätte: Es ist vollbracht. Jesu letzte Worte am Kreuz.
Seit 2000 Jahren werden diese Worte und ihre Geschichte weitererzählt - in Gemeinden und Kirchen unterschiedlichster Art. Jede auf ihre Weise unvollkommen und ärgerlich und schön. Ohne sie wüsste ich nichts von Schöpfungs-, Exodus- und Auferstehungskraft. Wie arm wäre mein Leben.
Zwei Jahre später trat ich wieder ein - in meine vergängliche evangelische Landeskirche. Mein G’tt ist immer noch größer als die Räume meiner Kirche. Aber ich gehöre dazu, damit die drei Worte und ihre Geschichte nicht vergessen werden. Damit sie nicht als Wortvagabunden durch unsere Sprache geistern müssen.
Es gilt das gesprochene Wort.