Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Katie Rainbow
Ein Herrgott
20.08.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört: "Wir haben doch alle einen Herrgott!" Hört sich gut an, klingt tolerant und freundlich. Doch wird er mir meistens zu schnell gesagt, dieser Satz. Denn so lässt sich eine Diskussion geschickt abblocken über Gott und die Welt und die Religionen. "Wir haben alle einen Herrgott" – da höre ich: "Komm, wechseln wir das Thema!"

Dabei ist das Thema spannend. "Wir haben alle einen Gott!" – das gehört zum Glaubensbekenntnis aller drei großen monotheistischen Weltreligionen. Aber nicht nur fundamentalistische Islamisten oder ultra-orthodoxe Juden, sondern auch Christen in Vergangenheit und Gegenwart haben still oder laut weitergedacht: "und dieser eine Gott, das ist unserer, nicht eurer!"

Die Kreuzzüge sind ein beschämendes Beispiel dafür, auch weil sich Machtgier und Religionseifer tödlich vermischen können. In der christlichen Geschichte wurde immer wieder anderen Religionen die spirituelle Qualität oder gleich ganz die Daseinsberechtigung abgesprochen, mal offen, mal versteckt. Abgelehnt und mit Mission geradezu bekämpft wurden dabei in erster Linie Religionen, die einen ganzen Kosmos von Göttern und Geistern verehren. Zur Strategie gehörte, vorgefundene fremde Tradition christlich umzuetikettieren. Oder in den positiven Aspekten der fremden Religion doch irgendwie Jesus Christus am Werk zu sehen – eben nur verborgen.

Durch die Globalisierung sind auch die Religionen, Glaubensrichtungen, Weltanschauungen der ganzen Welt näher zusammengerückt. Eine bunte, aber auch unübersichtliche Vielfalt, die Menschen verunsichern kann. Einige reagieren darauf mit einem neuen Fundamentalismus.

Die Fragen an den eigenen Glauben drängen sich mir auf:

  • Ist außerhalb der Kirche kein Heil?
  • Ist Gott nur und allein in Jesus Christus?
  • Und was ist verloren, wenn ich anerkenne, welch faszinierenden religiösen Reichtum Gott daneben auf seiner Welt zulässt?

Die evangelische Kirche im Rheinland hat zumindest im Blick auf das Verhältnis zum Judentum einen anderen Weg beschritten. Sie hat festgestellt: Ja, auch die Juden sind uneingeschränkt und ohne Umwege über eine Verbindung zum Christentum "auf der richtigen Seite". Ganz im Sinne dessen, auf den wir Christen uns berufen: der Mann aus Nazareth, Jesus. Von ihm und für sich bekennen Christen natürlich weiter: er ist es, er ist der Heiland.

Der kündigt allerdings "himmlische Überraschungen" an: "Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen!" (Mt 8,11)

Da wird nicht fein säuberlich getrennt nach Religionen und Glaubensrichtungen, nein: von Osten und Westen werden unerwartete Gäste dazukommen. Und gemeinsam wird am Tisch getafelt.

Heutzutage schaffen es Christen unterschiedlicher Konfessionen noch nicht einmal, beim Abendmahl Brot und Wein zu teilen. Wieweit ist Jesus, auf den Christen sich berufen, da schon voraus:

Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen!

Wir sitzen an einem Tisch. Darf ich deshalb nicht mehr dem muslimischen Ehemann in den Arm fallen, der seine Frau schlägt, weil‘s Allah erlaubt nach seiner Auffassung? Ich denke schon. Sogar mit Blick auf seinen Koran. Genauso wie ich einem Christen mit dem Blick auf die Bibel widerspreche, für den Menschen mit homosexueller Orientierung des Teufels sind. Und umgekehrt kann ich mir gut nie gesehene Aspekte der Bergpredigt vom buddhistischen Dalai Lama zeigen lassen.

Ja, wir haben einen Gott, wir sitzen an einem Tisch, dort können wir einander unsere Geschichten erzählen. Wir können auch heftig streiten, dürfen uns wieder versöhnen und seine guten Gaben gemeinsam genießen.

Wer miteinander isst, kann sich nicht bekriegen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.