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Es ist nicht weit. Durchs Gartentor, einmal die Straße runter, am Friedhof vorbei und schon schließt sich über mir das dichte Blätterdach.
Der Laubwald aus Buchen und Eichen bedeckt den gesamten Schlossberg in Wernigerode am Harz. Ich kann den Wald von meiner Wohnung aus sehen, beobachte, wie der Wechsel der Jahreszeiten sein Aussehen verändert. Freue mich an seinem Farbspiel. Oder trügt der Schein? Denn wenn ich genau hinschaue, fallen mir mehr und mehr tote Bäume auf, die immer häufiger den ganzen Sommer ihre kahlen Arme in den Himmel strecken.
Meine Nachbarin wohnt hier schon viel länger als ich. Wenn wieder große Waldflächen im Harz brennen, sagt sie oft: "Oh, ich sehe schon, wie auch der Schlossberg in Flammen steht!"
Ich setze mich auf eine Bank. Umgeben von Grün scheint mir der Gedanke an Flammen unendlich fern. Die Nachrichten dieses Sommers sprechen aber eine deutlich andere Sprache. Die Anzahl der Waldbrände ist in den letzten Jahren drastisch angestiegen. Wo Feuer wütet, verzehrt es die Natur und manchmal auch Menschen. Und neben die tatsächlichen Waldbrände treten vor meinem inneren Auge noch die anderen Brandherde unserer Gesellschaft: Flammen des Hasses auf Andersdenkende, Feuer des Zorns über die Politik und die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg. Sie züngeln an unseren Werten, verletzen und entzweien unsere Gemeinschaft.
"Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen und wie wünschte ich, es wäre schon angezündet!" (Lukas 12,49) Diese Worte Jesu erschrecken mich, ich spüre diese Furcht, die meine Nachbarin ergreift, wenn sie von dem brennenden Schlossberg spricht. Ein Feuer, das alles vernichtet, weil Gott die Menschen bestrafen will für die Feuer, die wir legen? Das glaube ich nicht.
Zum einen ist Feuer in der Bibel nicht nur zerstörerisch, sondern auch Zeichen von Gottes Gegenwart. Gott spricht aus dem brennenden Dornbusch. Und als das Volk Israel in der Wüste ist, weist Gott als Feuersäule des Nachts den Weg.
Zum anderen finde ich beim Propheten Jesaja, dass Gott nicht vernichten, sondern schützen will: "Fürchte dich nicht", heißt es da, "wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen." (Jesaja 43,2)
Diese Worte legen sich um mich wie ein Schutzschild. Ich kann, gestärkt von dieser Zusage, loderndem Hass und feurigem Zorn mutiger begegnen. Und ich kann dem Feuer von Gottes Gegenwart in mir Raum geben. Es lässt mich brennen für den Schutz der Natur und für das friedliche Miteinander.
Wenn ich auf meiner Bank unter dem Meer aus Blättern die Augen wieder öffne, spüre ich diese wärmende Zuversicht.
Es gilt das gesprochene Wort.