Schalom

Schalom
10.04.2015 - 06:35
30.03.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller

Bernd, auf dem Weg zur Arbeit im Zug nach Düsseldorf, wischt müde sein Smartphone. Ach, die Griechen feiern jetzt erst Ostern! Wow, denkt Bernd, die kriegen ja diesmal schöne Ostereier in ihre Körbchen gelegt!!! Wenn man keine Freunde mehr hat!

 

Nach einer alten Regel sollen sich Freunde nie Geld leihen. Das zerstört Freundschaft. Wie zwischen uns und den Griechen. Bekommen wir unsere Kredite zurück? Denn die Griechen sagen: Erst die Auszahlung der Rente für ärmere Rentner, dann die Rückzahlung an die Banken.

 

Göttliche Auskunft und grundsätzliche Beratung wären nicht schlecht. „Hallo, Auferstandener, gib mal deine Handy-Nummer runter und sag uns: Wem von beiden würdest denn du zuerst das Geld geben?“

 

Bernd ist nicht objektiv. Als Jugendlicher war er immer etwas schräg gekleidet, aber engagiert für Gerechtigkeit und die Erhaltung der Natur. Die Erwachsenen sahen ihn schief an: „Wie siehst du denn aus? Du mit deinen großen Sprüchen: mach erst mal deine Schulaufgaben!“

 

Und jetzt, wenn er Schäuble oder Kauder über die Griechen reden hört, dann meint er den alten Herren aus seiner Jugendzeit zu begegnen: „Wie seht ihr denn aus! Ohne Krawatte! Statt überall Interviews zu geben, macht erst mal eure Hausaufgaben!“

 

Ehrlich: Was sind Hausaufgaben einer Regierung? Doch wohl armen Rentnern ihr Monatsgeld auszahlen und erst dann die Banken bedienen! Bernd denkt sich richtig in Wut. Haben die Griechen nicht auch deshalb so hohe Schulden, weil Deutsche sie bestochen haben, völlig überflüssige Panzer zu kaufen?

 

„Bernd, komm, beruhige dich! Es ist Osterzeit: Wie sagt der Auferstandene immer zuerst: Schalom aleichem. Friede mit euch.“

 

Darum passen sie zu Ostern, diese Ostermärsche für den Frieden und gegen Waffenexporte. Gut so! Der Auferstandene ordnet das ja geradezu an mit seinem Gruß: Schalom! Friede!

 

Bernd wischt sein Smartphone. Bei der Einfahrt in Essen findet er gerade den Bericht über die Atomvereinbarungen mit dem Iran. Bravo, denkt Bernd, das ist vielleicht eine echte Ostergeschichte! Weil daraus eine Friedensgeschichte werden kann.

 

Schade, dass die israelische Regierung dagegen anmotzt. Netanjahu ist eben kein Meister des Friedens. Dabei haben sie die schönsten Friedenslieder: „Schalom aleichem…“: das wird der Ohrwurm auf den nächsten Bahnkilometern.

 

Kurz vor Düsseldorf schreckt Bernd auf. Ein Airbus startet. Das gibt ihm immer noch einen Stich. Im Smartphone gibt es nichts Neues über die Katastrophe. Es ist still geworden. Das ist auch gut so. Trauernde brauchen Ruhe. Auch die Jünger Jesu haben sich zurückgezogen, als ihr Liebster gestorben war. Sie wollten für sich sein.

 

Aber plötzlich ist der Auferstandene da und grüßt: Schalom aleichem. Friede mit euch. Tröstet Osterglaube? Vielleicht, wenn man hofft, dass man seine Lieben wiedersieht. Aber sieht man dann auch den Copiloten wieder?

 

Bernd hasst ihn wegen seiner Mordtat. Aber nun hat ein evangelischer Bischof aus Hannover tatsächlich geraten, dass man auch für den Copiloten beten soll.

 

Nein, Bernd könnte das nicht. Erstens weil er prinzipiell nicht betet. Und zweitens, weil er voller Wut auf ihn ist.

 

Aber Wut und Hass tun einem selbst nicht gut. Die machen krank. Man sollte sie überwinden. Vielleicht doch durch Beten?

 

Während der Zug in den Bahnhof Düsseldorf einfährt, denkt sich Bernd tatsächlich eine Art Gebet aus: Gott, bring du das mit dem Copiloten in Ordnung, meinetwegen, vergib ihm, und mach ihn wieder ok. Aber mich befreie von meinen Hassgefühlen. Die tun mir nicht gut.

 

Ankunft in Düsseldorf. „Schalom Düsseldorf!“

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30.03.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller