Damaskus-Erlebnis

Morgenandacht
Damaskus-Erlebnis
25.01.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs

Was ist ein „Damaskus-Erlebnis“? Eine deutsche Redewendung, die nicht jeder kennt. Ein Damaskus-Erlebnis ist, wenn jemand vom Saulus zum Paulus wird. Also: Wenn jemand sich und seine Meinung radikal ändert. Er wird vom Gegenteil dessen überzeugt, was er vor kurzem noch für richtig gehalten hat. So etwas passiert selten. Leider – muss ich sagen, denn ich finde es gut, wenn jemand bereit ist dazu zu lernen. Und wenn jemand seine Meinung ändern kann, wenn es dafür gute Gründe gibt. Für mich ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.

 

Aber woher kommt diese Sprachwendung: ein Damaskus-Erlebnis? Und wer ist dieser Saulus, der zum Paulus wird?

 

Saulus ist ein Eiferer, ein religiöser Fundamentalist, der genau weiß, was richtig und was falsch ist. Mit brutaler Härte verfolgt er die, die aus seiner Sicht etwas Falsches glauben. Die nimmt er gefangen und foltert sie. Saulus ist Jude und die, die er verfolgt, sind Christen. Für Saulus sind sie Abtrünnige, Falschgläubige. Um sie zu verfolgen, zieht er durch das Land. So nähert er sich auch der Stadt Damaskus. Vor den Toren der Stadt passiert etwas Einschneidendes – eben das Damaskus-Erlebnis. Saulus sieht ein grelles Licht. So stark, dass er blind wird. Er sinkt zu Boden und hört eine Stimme. Es ist die Stimme Jesu. Die fragt: „Warum verfolgst du mich?“ Saulus ist zutiefst irritiert. Bislang hatte er Jesus nur für ein geistiges Irrlicht der Christen gehalten. Aber jetzt spricht ihn genau dieser Jesus direkt an! Jesus befiehlt ihm, nach Damaskus zu gehen und alles weitere abzuwarten. Saulus gehorcht. In Damaskus erhält er sein Augenlicht zurück und wird Christ. Er ändert seinen Namen, denn er ist ein veränderter Mensch. Aus Saulus wird Paulus, eine der zentralen Persönlichkeiten der ersten Christengeneration. Mit demselben Eifer, mit dem Paulus zuvor die Christen verfolgt hat, wird er nun ihr Missionar. Fortan zieht er herum und begeistert Leute für den Glauben an Jesus Christus. So berichtet es die Bibel im 9. Kapitel der Apostelgeschichte.

 

Doch Paulus hat nicht nur seinen Namen und seinen Glauben verändert. Sondern auch seine Methoden. Nie wieder wird er Gewalt anwenden.

 

Er vertraut einzig und allein auf die Kraft seiner Worte. Und auf das Handeln Gottes. Oft genug eckt er damit an, provoziert Aufruhr und Konflikte. Doch stets versucht er, diese zu dämpfen. Wenn nötig, indem er einfach weggeht.

 

Dabei ist er von seinem neuen Glauben zutiefst überzeugt: Nur Christus kann die Menschen heil machen. Davon redet Paulus Tag und Nacht. Überall, wo er kann und darf. Aber er redet eben immer nur. Natürlich hofft er, möglichst viele zu überzeugen. Aber er überlässt es jedem einzelnen, diesem Glauben zu folgen – oder eben nicht.

 

Paulus hat verstanden, was Glauben heißen muss: Von etwas felsenfest überzeugt sein und dafür öffentlich eintreten. Aber zugleich akzeptieren, wenn andere das anders sehen. So wurde aus dem Eiferer Saulus, der die Wahrheit meint gepachtet zu haben, Paulus, der seine Wahrheit niemandem aufzwingen muss. Das ist das Ur-Damaskus-Erlebnis. Darin lehrt Jesus den Paulus Glauben und Toleranz.

 

Das alles passiert, weil Paulus dem begegnet, den er ablehnt. So ist das ja oft: Man hat über jemanden eine feste Meinung, obwohl man ihn gar nicht genau kennt. Dann begegnet man ihm und plötzlich sieht vieles ganz anders aus.

 

Es ist schon bemerkenswert, dass Paulus diese Lektion ausgerechnet in Damaskus gelernt hat. Heute ist das die Hauptstadt von Syrien. Ausgerechnet dort versinkt alles im Krieg der Meinungen und Milizen. Die Menschen dort verzweifeln und fliehen. Viele von ihnen kommen nach Deutschland. Dort machen sie manchen Einheimischen Angst, obwohl sie den Flüchtlingen kaum begegnen. Höchste Zeit für Damaskus-Erlebnisse auch hier.

 

Bibelstelle: Apg. 9

27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs