Engel statt Echokammer

Morgenandacht
Engel statt Echokammer
04.02.2020 - 06:35
03.01.2020
Eberhard Hadem
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Über achtzig Bilder von Engeln hat Paul Klee gemalt. Auffällig ist, dass er keine klassischen Schutzengel gezeichnet hat. Keinen, der beschützend über einem Menschen schwebt. Dennoch findet sich die Hoffnung auf Bewahrung auch bei ihm. So muss der ‚Engel voller Hoffnung‘ entstanden sein: Den großen Kopf hält er etwas schräg, mit offenen Augen schaut er den Betrachter an, mit einem leichten Lächeln.

 

Am Vertrauen auf einen Schutzengel gibt es für mich nichts zu kritisieren. Anders ist es, wenn jemand zu mir sagt: ‚Mein persönlicher Schutzengel hat mir gesagt, was richtig ist und was falsch ist, was ich tun und lassen sollte‘. Das sehe ich nicht nur kritisch, sondern halte es für gefährlich. Wer glaubt, seinem Engel zu lauschen, horcht vermutlich nur seinem eigenen Geist beim Denken zu. Oder dem von anderen Menschenflüsterern, was noch gefährlicher ist. Da redet eher kein Engel. Und jeder Mensch ist verführbar, den Einreden anderer Geister zu lauschen. Besonders, wenn sie die Dinge des Lebens ähnlich sehen wie man selbst; wenn sie nur eine bestimmte Sichtweise für richtig betrachten und alles andere ausblenden. Verführerisch sind sie trotzdem, weil sie seelische und emotionale Sicherheit versprechen.

Geister, Ein-Redner, Menschenflüsterer – es gibt viele Namen; gemeinsam ist solchen, dass sie dem geneigten Zuhörer immer nur bestätigen werden, wie richtig es ist, was er denkt und schon immer gedacht hat.

 

Wenn das Leben brüchig wird und bedroht erscheint, ziehen sich viele Menschen in sich selbst zurück. Im eigenen Innenleben kann niemand sie darin stören, wie sie die Welt sehen. Oder sie finden im anonymen Internet eine Bestätigung für ihre Sichtweise. Viel zu bereitwillig folgen manche dem scheinbar plausiblen Sog von kolportierten Ängsten und einfachen Welterklärungen. Es sind unsichtbare Mauern, hinter denen sich Menschen damit vergraben. Echokammern, in denen sie finden, was sie schon immer glaubten, über die anderen da draußen zu wissen.

 

Das verspricht, das eigene Leben wieder auf etwas Größeres beziehen zu können. Und unversehens scheint es richtig, Flüchtlinge zu bekämpfen um das christliche Abendland zu retten. Das deutsche Volk vor den Eliten zu schützen. Oder Verschwörungstheorien von links bis rechts für wissenschaftlich belegt zu halten. Allerdings: In solchen Echokammern ist der vereinzelte Mensch mit sich allein. Er verliert den Kontakt mit denen, die anders denken.

 

Einen ganz persönlichen Schutzengel zeichnet Paul Klee in seinem letzten Lebensjahr dann doch. Dieser Engel ist mit zwei Menschen auf steilem Bergweg so eng verbunden, als wären sie eine einzige Person. Der Betrachter versteht, was Klee nur in wenigen Strichen andeutet: Wo der Lebensweg so schwer oder so steil wird, dass die eigene Kraft nicht ausreicht, braucht es einen Engel, womöglich sogar zwei. Die Zeichnung trägt den Titel: ‚In Engelshut auf steilem Weg‘.

Für mich ist dieser Engel die künstlerische Darstellung eines weisheitlichen Bibelworts. In Kohelet, dem Buch des Predigers, heißt es: Zwei sind allemal besser dran als einer allein, denn zusammen können sie mehr erreichen. Stürzt einer von ihnen, dann hilft der andere ihm wieder auf die Beine. Doch wie schlecht steht es um den, der alleine ist, wenn er hinfällt! Niemand ist da, der ihm wieder aufhilft! (…) Einer kann leicht überwältigt werden, doch zwei sind dem Angriff gewachsen. Noch besser sind drei; es heißt ja: ‚Ein Seil aus drei Schnüren reißt nicht so schnell.‘ (Koh. 4, 9 – 12)

‚In Engelshut auf steilem Weg‘ ist allemal besser als die Echokammer. Auch wenn solche Engel einmal anders denken und anderes lenken als ich selbst.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

03.01.2020
Eberhard Hadem