Großvater gegen die Deutschen

Morgenandacht
Großvater gegen die Deutschen
02.02.2021 - 06:35
28.01.2021
Ines Bauschke
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

„Unser Mund wird voll Lachens sein,“ heißt es im 126. Psalm. Da ersehnt das Volk Israel seine Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft.

Wie aber geht lachen, wenn man gar nichts zu lachen hat? Auf den Inseln Jersey und Guernsey, zwischen England und Frankreich im Ärmelkanal gelegen, gibt es Gedenkstätten. Sie erinnern an die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg.

 

Mahnmal und Museum zugleich, das sind die aufwändigen Tunnelsysteme auf beiden Inseln. Die Nationalsozialisten ließen sie von Zwangsarbeitern errichten: die Anlage der Kriegstunnel auf Jersey und das Tunnelkrankenhaus auf Guernsey. Düstere Relikte aus der Besatzungszeit. Wie viele Mahnmale zeugen sie von der Brutalität der deutschen Besatzer. Zwangsarbeiter mussten Bauten anlegen – Kriegsgefangene und Verschleppte unterschiedlicher Nationen. Viele sind während der Arbeiten umgekommen. Solche Anlagen zu besichtigen, ist eine erschütternde und aufwühlende Erfahrung.

Doch es gibt noch andere Möglichkeiten des Erinnerns. Auf der Insel Jersey wird ein kleines Büchlein verkauft. Erstaunlicher Weise ein humorvoller Blick auf die finstere Zeit der Besatzung. Das Buch trägt den Titel „Großvater gegen die Deutschen“. Es erzählt von einer Bauernfamilie, die den Besatzern auf der Insel immer wieder die Stirn bot. Mit List, Mut und einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit:

 

Mal lässt der Großvater seinen Bullen auf die Soldaten los, die seine beste Kuhweide zu ihrem Fußballfeld erklärt hatten. Dann verdonnert er die vor dem Bullen auf die Bäume geflüchteten Deutschen zum Pflücken seiner Cidre-Äpfel. Ein anderes Mal überführt er seine angeblich verstorbene Cousine Clara in einem Sarg von einem Ende der Insel zum anderen – vorbei an allen Wachtposten. Doch als zuhause auf dem Hof der Sarg geöffnet wird, befindet sich darin ein geschlachtetes Schwein: für die hungernden Angehörigen an allen Posten vorbeigeschleust - ein Fest für die Bauernfamilie und ein Triumph. Immer wieder werden die auf ihre Autorität bedachten Besatzer in die Irre geführt, ihre Herrscherpose lächerlich gemacht. Die Besetzten machen sich nach Kräften lustig über die Deutschen.

Es sind die Geschichten eines kleinen Bauern, der gegen die Übermacht der deutschen Besatzer immer wieder gewinnt und dem sie nicht beikommen können, - charmant und heiter beschrieben von einem Autor, der während der Besatzungszeit in Jersey auf die Welt gekommen ist.

 

Das Buch endet damit, dass am Tag der Befreiung der Großvater und ein deutscher Soldat gemeinsam auf den hohen Klippen übers Meer blicken. Dann sinken beide auf die Knie und sprechen ein Dankgebet. Wohl danken sie mit sehr unterschiedlichen Motiven, aber beide sind froh, dass sie einander los sind. So bekommt das Büchlein am Ende einen fast versöhnlichen Schluss.

 

Die Geschichten sind mit Sicherheit harmloser, als die harte Realität es damals gewesen ist. Aber sie zeugen davon, wie sich die in ihrem Leben eingeschränkten und bedrohten Inselbewohner von den Besatzern nicht haben unterkriegen lassen. Sie haben ihren Mut und sogar ihren Humor behalten. Das Büchlein ist ein beeindruckendes Überlebenszeugnis.

 

So wie Lachen überhaupt ein Bestandteil des Überlebens ist. Die Anekdoten in dem Büchlein über den Großvater mögen auch ein Versuch sein, Bedrückung und Trauer einfach weg zu lachen. „Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe“, schrieb der amerikanische Theologe Harvey Cox. Lachen, das den Körper schüttelt, so dass einem die Tränen in die Augen steigen - das ist ein lebendiges Gegenprogramm zum disziplinierten Strammstehen derer, die keine Miene verziehen: aus Angst, sonst ihre Autorität zu verlieren. Ein unbedeutender, scheinbar machtloser Großvater auf einem kleinen Stück Land: Sein Lachen gegen Macht und Gewalt macht Überleben möglich.

Befreiend kann das Lachen sein, wenn man dabei einander ins Gesicht guckt und sich miteinander eine bessere Zukunft erhofft. Solch ein Lachen wünsche ich mir.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

28.01.2021
Ines Bauschke