Luther und die Väter

Morgenandacht
Luther und die Väter
01.11.2017 - 06:35
26.10.2017
Jörg Machel
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Darin sind sich die Biografen von Martin Luther einig: Der Vater spielte eine dominante Rolle in seinem Leben. Wahrscheinlich war es dieser Vater, der das Gottesbild des Reformators entscheidend prägte.

Sein Vater, Hans Luther, wurde als Bauernsohn geboren, wurde Bergmann, Grubenbesitzer und später sogar Ratsherr. Seinen Sohn erzog er mit großer Strenge. Er hatte Pläne für den Jungen, der sollte Jurist werden und so war die Enttäuschung groß, als Martin sich für die geistliche Laufbahn entschied.

 

Die Frage, wie Martin die Erwartungen des Vaters erfüllen kann und doch den eigenen Lebensweg zu gehen vermag, beschäftigte ihn bis ins Erwachsenenalter und korrespondiert in gewisser Weise mit seiner theologischen Lebensfrage: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ „Allein aus Gnade!“, so wird er sich später durch Paulus belehren lassen. Aber es wird immer ein Kampf bleiben, durch den er sich dieser geschenkten Gnade vergewissern muss. Den Kampfmodus hat Luther nie verlassen. Wenn es nicht der Kampf um die Anerkennung des Vaters war, dann war es der Streit mit seinen Widersachern unter den Papisten oder mit den Gegnern im eigenen Lager.

 

Bei Nelson Mandela konnte ich nichts von einer solchen Zerrissenheit erkennen. Bei einem Besuch in Südafrika hatte ich Gelegenheit die Zelle zu sehen, in der Mandela viele Jahre eingekerkert war. Und ich habe mich gefragt, woher nahm er seine Lebenskraft? Nelson Mandela wirkte entspannt und strahlte, wenn er zu den Menschen sprach, trotz seiner unmenschlich langen Haftzeit. Wie konnte jemand, der Jahrzehnte im Gefängnis verbrachte, so unbeschadet aus dieser Hölle herauskommen? Auch um Nelson Mandela ranken sich längst „Heiligenlegenden“. Eines scheint aber unbestreitbar: Nelson Mandela war kein Mann der Rache, der Kampf um die Freiheit seines Volkes wurde nicht durch einen inneren Konflikt befeuert! Mandela hat seinen Peinigern vergeben und damit vielen Mitstreitern geholfen, eigene Feindschaften hinter sich zu lassen. Woher nahm er die Kraft? Ein Freund, der sich genauer mit Mandela beschäftigt hat, meint, es sei wesentlich seine Herkunft, die ihm diese Kraft gab. Nelson war ein Königssohn. Er ist mit dem Bewusstsein aufgewachsen, als Stammesführer Verantwortung für das Gemeinwohl zu tragen. Nie stand er nur für sich, er stand für eine Idee der Würde, die weit über das Persönliche hinausging.

 

Ich vermute, unsere Biografie, unser Vaterbild bestimmt unseren Glauben in hohem Maße und es lohnt, zu schauen mit welchen Gaben und mit welchen Lasten wir ins Leben gehen. Doch das lerne ich bei Luther: wir müssen da nicht stehen bleiben. So wie Martin nicht stehen geblieben ist bei dem Bild des Vaters, der seine Kindheit prägte. Die Bibel bot ihm und bietet uns die Chance einer Korrektur. Im Römerbrief steht der Satz: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Kinder Gottes, sie haben keinen knechtischen Geist, sondern den kindlichen Geist, der sie fröhlich Abba, lieber Vater, rufen läßt.“ Auch wenn Martin Luther die strenge Erziehung seines Vaters nie abschütteln konnte, wie wir alle die Defizite unserer Kindheit mitschleppen, so hat er doch einen Weg gefunden, den drohenden und ängstigenden Vater hinter sich zu lassen.

 

Luther war auf der Suche und hat seine Antwort in Gott gefunden: Einen Vater voller Güte, von dem sich jeder Mann und jede Frau geliebt und akzeptiert fühlen darf. Durch die Bibel hat Luther erfahren, was man von Vater und Mutter erwarten darf: Willkommen und wertgeschätzt zu sein von Anfang an, geliebt zu werden, ohne etwas dafür leisten zu müssen, und sich dieser Liebe gewiss zu bleiben, auch wenn man Fehler macht.

Luther liebte die Bibel: „sola scruptura“ – allein die Schrift, so lehrte er. Ich sage es schlichter: Lesen hilft!

26.10.2017
Jörg Machel