Maria Himmelskönigin

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Mateus Campos Felipe

Maria Himmelskönigin
Morgenandacht von Pfarrer Jörg Machel
06.05.2024 - 06:35
25.03.2024
Pfarrer Jörg Machel
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In der katholischen Kirche gilt der Mai als der Marienmonat. Spätestens seitdem sich die evangelische Kirche kritisch mit dem patriarchalen Erbe des christlichen Glaubens auseinandersetzt, gibt es auch unter Protestant:innen einen offeneren Blick für die Frauen in der Bibel. Insbesondere für Maria, die Mutter von Jesus.

Welche Botschaft steckt in dieser wichtigen Figur der Heilsgeschichte für die aufgeklärte Betrachterin, den aufgeklärten Betrachter? Das, was von Maria in der Bibel steht, ist in Legenden erweitert und mythologisch überzeichnet worden. Aber ich vermute, auch in diesen späteren Geschichten rund um Maria lassen sich Anregungen für meinen eigenen Glauben finden.

Als Theologiestudent habe ich Touristen durch das Bad Doberaner Münster bei Rostock geführt. Das ist eine Klosterkirche aus dem Mittelalter. Immer haben wir vor dem Marienleuchter Station gemacht. Er stellt Maria als Himmelskönigin dar. Die spätromanische Marienfigur stammt aus der Zeit um das Jahr 1300 und stand zunächst als Hauptfigur in der Mitte des Hochaltars. Um das Jahr 1400 wurde sie Teil des neugeschaffenen Marienleuchters.

Nun wird sie als Himmelskönigin verehrt. Auf dem Kopf trägt sie eine Sternenkrone. Hinter ihr strahlt die Sonne und sie steht auf der Mondsichel. Auf dem linken Arm hält sie das Jesuskind. Die Darstellung bezieht sich auf eine Stelle in der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Dort steht: „Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf Sternen.“ (Offenbarung 12,1)

Auf dem Baldachin über der Marienfigur im Doberaner Münster steht der Schriftzug: "AVE MARIA". Gegrüßet seist du, Maria. Dabei ist der erste Buchstabe des Wortes Ave durch die kreisförmige Anordnung der Worte gleichzeitig der letzte Buchstabe des Wortes Maria.

Wie in den meisten Kirchen dominieren auch im Doberaner Münster die Darstellungen von Männern. Jesus, die Apostel, die Äbte – alles Männer. Auch die vielen Totengedenksteine in der Klosterkirche sind vor allem Männern gewidmet, weltlichen Herrschern. Manchmal ist auch die Gattin mit einem Grabstein bedacht: Er steht auf einem Löwen als Symbol für seine Bedeutsamkeit, sie auf einem Hund als Zeichen ihrer Treue.

Inmitten all dieser Männer ist eine Frau prominent platziert: Maria. Nicht hündisch untergeordnet, sondern als Himmelskönigin. Eine wunderschöne Frau in der Männerwelt der Mönche. Die Frömmigkeit des Mittelalters hat Maria hochgeschätzt. Für mich schwingt darin eine Sehnsucht mit, vielleicht sogar ein stiller, unartikulierter Protest. War die Marienverehrung vielleicht das Ventil für die radikale Verdrängung der Frauen aus dem Leben der Mönche? Hat das kirchliche Leben möglicherweise mehr unter der Verdrängung der Frauen gelitten, als es den Gläubigen bewusst war? 

Das wäre fatal, denn dann hätte die Marienverehrung die Funktion, die Frauen weiter außen vor zu lassen. Maria, die Himmelskönigin bekommt einen prominenten Platz in der Kirche und die Frau bekommt einen Hund unter die Füße geschoben und wird weiterhin auf die Rolle der treusorgenden Gattin reduziert.

Dagegen hat die Darstellung von Maria als Himmelskönigin aufklärerisches Potenzial. Maria mit der Sternenkrone, von der Sonne beleuchtet, wo Frauen in den Schatten gestellt werden. Maria steht im Doberaner Münster nicht auf einem Hund, sondern auf der Mondsichel. Als Himmelskönigin schwebt sie über allen und setzt unübersehbar ein Zeichen gegen die Männerdominanz.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

25.03.2024
Pfarrer Jörg Machel