Stiefel

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Oziel Gómez

Stiefel
22.01.2022 - 06:35
14.01.2022
Peter Oldenbruch
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Die Sendung zum Nachlesen: 

„Jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.“

 

Sagt die heutige Tageslosung aus Jesaja 9. Im Hebräischen bezeichnet das „aus dem Akkadischen stammende Wort für „Stiefel“ […] den >hohen Schnürschuh< der Assyrer und symbolisiert deren militärische Überlegenheit.“ (1) Bereits diese Ausrüstung der feindlichen Soldaten sorgte „einst überall für Angst und Schrecken“. Und hinter dem „Mantel, der durch Blut geschleift wird“, steckt wohl die Erfahrung, dass die Sieger im Krieg ihre Mäntel im Blut der besiegten Opfer badeten. Die römischen Kaiser und ihre hohen Offiziere trugen rote Mäntel. Und erinnerten damit an diese kriegerische Praxis.

 

In der heutigen Tageslosung werden die altorientalischen Knobelbecher wie die blutroten Militärmäntel dem Feuer anheimgegeben. Sie werden verbrannt und damit entwertet. Wertvoll ist etwas ganz anderes. Das Bild von den Militärstiefeln und -mänteln steht in einem Text, der im Christentum an Weihnachten gelesen wird. Jesaja 9 beginnt mit dem „Volk, das im Dunkeln wandelt“ und plötzlich ein großes Licht sieht. Das drückende Joch wird zerbrochen, Stiefel und Mäntel verbrannt. Denn „uns ist ein Kind geboren … und die Herrschaft ist auf seiner Schulter und des Friedens kein Ende.“

In diesen Zusammenhang gehört: Die Symbole der Zerstörung - Stiefel und blutbefleckte Gewänder - verbrennen zu Asche. „Das Licht hat die Finsternis besiegt. Ein Kind […] übernimmt die Regentschaft. Wo einst das Joch drückte, liegt künftig die Herrschaft des Rechts und der Menschlichkeit, des Friedens und der Toleranz. Gott will es so und nicht anders.“ (2) Der Pfarrer und Dichter Jürgen Henkys hat die Jesaja-Vision so verdichtet:

 

„Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen. Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt … in vollem Lauf. Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf und ruft: Uns ist ein Kind geboren.“ (3)

 

Doch davon sind wir auch zweieinhalbtausend Jahre später weit entfernt. Noch immer setzen Staatschefs auf Militärstiefel und blutrote Mäntel. Sicherheit, so glauben noch heute Staatenlenker, lasse sich nur durch militärische Stärke erreichen, durch Bedrohung, Säbelrasseln oder Truppenaufmärsche.

 

Vor allem nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege setzen internationale Organisationen und Friedensfachleute aus guten Gründen auf eine andere Strategie: auf gemeinsame Sicherheit.

 „Sicherheit mit den anderen“ statt „Sicherheit gegen die anderen“.

 

Das ist ein schwieriges Geschäft. Ich muss die Sicherheitsinteressen meines Gegenübers mitbedenken. Genau das aber führt zur Herrschaft des Rechts und der Menschlichkeit, des Friedens und der Toleranz. Und das ist nicht nur zwischen Staaten so, Nachbarstaaten oft. Ich weiß, wie schwer das ist, bis aufs Blut zerstrittene Ehepartner, Nachbarinnen oder Geschwister dazu zu bewegen, die Interessen des Gegenübers mit zu bedenken. Und manchmal muss ich mir das selber sagen lassen von andern, wenn ich mich in einer Feindschaft verrenne, in der ich mich als Opfer fühle.

Vor vier Wochen, da wurde es in den Christvespern verlesen: Das Volk, das im Dunkeln wandelt, sieht ein großes Licht. Militärstiefel und Blutröcke kommen ins Feuer. Die Liebe geht nicht mehr verloren. Ein Kind ist uns geboren und die Herrschaft liegt auf seiner Schulter, die Herrschaft des Rechts und des Friedens.

 

Literaturangaben:

  1. Willem A.M. Beuken, Jesaja 1-12, Freiburg im Breisgau 2003, 248f
  2. Roland Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen, Stuttgart 1987, 154
  3. Jürgen Henkys, EG 20

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

14.01.2022
Peter Oldenbruch