Horizonterweiterung

Wort zum Tage
Horizonterweiterung
09.03.2021 - 06:20
04.03.2021
Sabrina Fabian
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In 80 Tagen um die Welt – das ist heute nicht mehr dieselbe Herausforderung wie noch zu Jules Vernes Zeiten. Außer man umrundet die Erde in der härtesten Regatta – der Vendée Glo-be. Alle vier Jahre brechen Seglerinnen und Segler von der französischen Atlantikküste auf, um die Weltmeere zu durchqueren. Ende Januar gingen ihre Bilder um die Welt. Bei dieser Regat-ta war zum ersten Mal ein Segler aus Deutschland dabei – Boris Herrmann. An achtzig Tagen allein auf Hoher See hat er einiges erlebt: Bei einer Rettungsaktion einen gekenterten Mitseg-ler gesucht, sein Segel geflickt, und kurz vor dem Ziel ist er sogar noch mit einem Fischer-boot zusammengestoßen, weil seine Warnsysteme nicht ansprangen. Und zwischendurch hat Herrmann ganz viel gesammelt: Daten für mehrere Forschungsinstitute. Ein Gerät auf seinem Segelschiff hat CO2-Werte, Temperatur und Salzgehalt im Wasser gemessen. Gerade für die Klimaforschung sind diese Werte hochinteressant. Denn die Seglerinnen und Segler fahren durch gefährliche Gewässer, aus denen es nur wenige Daten gibt.

Sie ist also nicht nur Abenteuer und sportlicher Wettkampf, die Vendée Globe, sondern auch eine Horizonterweiterung. Sie bietet uns detaillierte Blicke auf die Weltmeere. So hat es auch Boris Herrmann beschrieben. Vom Ozean aufs Land zu schauen, hat ihn über diese Welt stau-nen lassen: In nur achtzig Tagen könne man sie umrunden, vorbei an all diesen Küsten, an denen so viele Menschen in so unterschiedlichen Kulturen leben. Die Welt sei gleichzeitig groß und klein.

Die Bilder seiner Weltumrundung haben auch mir frische Blicke beschert, diesen vor allem: Unerbittliche Wellen schmeißen sich gegen Herrmanns Segelboot. Ihre Ausläufer verteilen sich schäumend über das Deck. Kantig zerschellen die Wellen an allen Boot-Seiten. Naturgewalten. Wild durcheinander, übereinander herfallend. Ein so brutales Meer müssen die Dichter des 93. Psalms im Sinn gehabt haben:
HERR, die Wasserströme erheben sich, 
die Wasserströme erheben ihr Brausen,
die Wasserströme heben empor die Wellen;
die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig.

Gott stellt sich dieser Urkraft entgegen, Gott ordnet diese chaotischen Mächte. Gott schafft Land, auf dem wir Menschen fest stehen können. Einen Flecken zum Ausharren, an dem uns nicht ständig Wellen entgegenschlagen. 
So stelle ich es mir vor, nach der Vendée Globe im Zielhafen der französischen Stadt Les Sab-les-d'Olonne einzulaufen, anzulegen und den Fuß auf festen Boden zu setzen. So ist Gottes schöpferisches Wirken aufs Neue in meinem Leben. Um diese Perspektive hat es mich als Zu-schauerin reicher gemacht, das Abenteuer von achtzig Tagen Horizonterweiterung.
 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

04.03.2021
Sabrina Fabian