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Sendung zum Nachlesen
„Über diesen Vers sollten Sie einmal predigen“, rät mir eine Frau bei einer Gemeindeveranstaltung. Der Vers, den sie meint, steht in einem Psalm, der das Wirken Gottes lobt: „Die unfruchtbare Frau lässt er im Haus wohnen: ja, als eine fröhliche Mutter von Kindern.“ (Ps 113,9) So endet dort die Aufzählung von Komplimenten an Gott. Meine Gesprächspartnerin erntet direkt meinen Widerstand:
„Ich finde, die Texte der Bibel werden zu häufig aufs Muttersein hin gelesen.“
In mir spielt dieser Vers sofort einen Film ab, den ich über verschiedene Bibelstellen schon zu häufig gesehen habe: Eine Frau nimmt erst, wenn sie Mutter wird, die entscheidende Rolle ihres Lebens wahr. Eigentlich haben Frauen in der Bibel viele Rollen und Funktionen, aber in der Tradition gelten sie als besonders wichtig, wenn sie gebären. Im Idealfall bringen sie einen Sohn zur Welt, der ein ganz Großer wird: Isaak, David, Jesus. So reihen sie sich in die Riege der Ahnmütter ein und bekommen einen Platz im Stammbaum Jesu. Sarah und Rebekka gehören dazu, auch Rut, bis hin zu Maria.
Das ist mir als Lebensentwurf viel zu wenig. Das ist mir ein zu enges Verständnis von Frausein – auch schon im Blick auf die Bibel selbst. Denn in ihr stecken so viele Lebensmöglichkeiten wie Frauen – nur werden sie seltener hervorgehoben. Ausführlich feiert man, wenn Frauen schwanger werden. Und klar, das ist auch großartig und ein Wunder. Aber es gibt eben noch viel mehr Gründe, Frauen zu feiern: Sarah für ihr Durchhaltevermögen als Nomadin, Rut für ihre Treue, in ein fremdes Land mitzugehen, Maria für ihren immensen Mut.
Und dann ist da auch noch dieser ärgerliche Psalm-Vers: Eine Unfruchtbare wird eine fröhliche Mutter von Kindern. In meiner Welt sieht es viel vielfältiger und komplexer aus: Ich kenne Frauen, die gegen ihren Wunsch kinderlos bleiben; oder solche, die gar keinen Kinderwunsch haben; oder die sich das mit den Kindern offen halten.
Und das erwidere ich auch der Frau aus meiner Gemeinde, die offenbar so an diesem Vers hängt: Und prompt entlarvt sie meine eigene Engstirnigkeit. Sie meine gar nicht, dass eine Unfruchtbare zu Kindersegen komme. „Die unfruchtbare Frau lässt er im Haus wohnen: ja, als eine fröhliche Mutter von Kindern.“ Dieser Vers erinnere sie an ihre eigene Erfahrung: Wie dankbar sie gewesen ist, dass ihre Kinder noch andere Frauen als Bezugspersonen erleben durften. Freundinnen, die mit den Töchtern Zeit verbrachten; Tanten, die neue Eindrücke ins Haus brachten – auch Frauen, die selbst keine Kinder hatten.
Diese Frau aus meiner Gemeinde hatte recht: Über diesen Vers sollte man mal predigen - über die weibliche Vielfalt, die in ihm steckt.
Es gilt das gesprochene Wort.