Blumenkirche

Wort zum Tage

Stadtkirche Beelitz / Katharina Pfuhl

Blumenkirche
von Barbara Manterfeld-Wormit
24.09.2022 - 06:20
11.06.2022
Barbara Manterfeld-Wormit
Sendung zum Nachhören
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 
Sendung zum Nachlesen

Spargel wohin das Auge blickt. Ja, sie hören ganz recht: Es gibt hier Spargel, auch wenn die Spargelzeit längst vorüber ist wie der Sommer bald auch. In Beelitz im südlichen Brandenburg wird beinahe alles zum Spargel: die Pfosten auf dem Parkplatz, die Salz- und Pfefferstreuer im Hotel und der Laternenpfahl auf dem Bürgersteig. Ich war gerade in der berühmten Spargelstadt. Nicht wegen des weißen Gemüses, sondern um die Landesgartenschau zu besuchen, die noch bis Ende Oktober in Beelitz zu Gast ist. Fein, so ein Ereignis im Altweibersommer: Da flattern weithin sichtbar bunte Fahnen im Wind, ganze Busse von Touristen strömen durch die Straßen und Parks. Überall grünt und blüht es. Pink bis lila in allen Schattierungen - die Farben des Herbstes – dazwischen Gräser und Kürbisse, geschwungene Rasenflächen, herrliche Stauden, Büsche und Bäume. Die Seele atmet auf. Und nicht nur draußen blüht es – auch drinnen in der Stadtkirche von Beelitz. Der ganze Innenraum hat sich in ein Blumenmeer verwandelt. Es duftet vorm Altar, die Kirchenbänke wurden entfernt. Stattdessen wurden Wandelgänge angelegt. Von oben von den Emporen herab fließen Blumengebinde, rankt der Efeu. Alle Türen des Gotteshauses sind geöffnet. Pflanzen – das weiß jedes Kind - brauchen Luft und Licht.

Das gilt nicht nur für Pflanzen, denke ich. Und mir fällt jene Geschichte des holländischen Liederdichters und Sängers Herman van Veen ein: Was ist das hier? fragt Gott, als er vor der Kirche steht. Das ist eine Kirche, mein Freund! antwortet der Pfarrer. Ah, wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen dann hier keine Blumen? Warum strömt dann hier kein Wasser? Und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen! In Beelitz ist das jetzt anders. Und es strömen die Menschen zur Kirche – ein selten schöner Anblick.

Im Sommerurlaub haben wir Kirchen besichtigt. Viele Kirchen. Wunderbare, erhabene Räume. Ich liebe das, nicht nur als Touristin. Doch kürzlich vor dem Einschlafen hat meine neunjährige Tochter sich daran erinnert. Sie sagte zu mir: Mama, da drinnen ist mir immer unheimlich. Da riecht es so muffig. Das ist nicht schön in meiner Nase. Ich verstand sofort, was sie damit meinte: Gottes Gnade reicht soweit der Himmel ist, heißt es in ihrem Taufspruch. Gott soll Licht und Leben und Weite sein. Am Ende seines Besuchs, so erzählt Herman van Veen übrigens weiter, landet Gott auf dem Dorfplatz. Dort setzt er sich neben einen Mann, der gemütlich auf einer Bank in der Sonne sitzt: Und Gott setzte sich daneben, schlug die Beine übereinander, und sagte: Kollege!

 

Literaturangaben:

Herman van Veen: Eine Geschichte von Gott, Songtext zitiert nach https://www.songtexte.com/ songtext/herman-van-veen/eine-geschichte-von-gott-6bc7ca6a.html (Abrufdatum: 7.9.2022).

 

Es gilt das gesprochene Wort.

11.06.2022
Barbara Manterfeld-Wormit