Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Maren Wilczek
Die Länder und Menschen rund um die Ostsee
von Militärdekan Dirck Ackermann
18.11.2023 04:20
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Ostseeanrainerkonferenz in Kiel vor ein paar Jahren. Soldatinnen und Soldaten, Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer, zu denen ich gehöre, treffen sich. Neun Nationen sind versammelt. Wir diskutieren über die Herausforderungen der Auslandseinsätze. Wir tauschen uns aus, welche Rolle die Militärgeistlichen haben, wenn sie die Soldaten im Ausland begleiten. Wie unterschiedlich wir doch sind, denke ich, zwischen Norwegen und Estland, Polen und Finnland und wir anderen aus den Ländern entlang der Ostseeküste.

Dann feiern wir gemeinsam Gottesdienst in Sankt Nikolai zu Kiel. Hier sind die Spuren der Zerstörung aus dem Zweiten Weltkrieg noch deutlich zu sehen. Die fast zerstörte Kirche ist nun mit moderner Architektur ergänzt. Die Reste der alten Mauern sind nach wie vor zu erkennen. Man sieht, wie stark die Zerstörung gewesen ist.

In diesem Mahnmal gegen die Schrecken des Krieges feiern wir Gottesdienst, Soldatinnen und Soldaten und ihre Geistlichen.

Ich höre ein Gewirr von Sprachen: Polnisch, Estnisch, Lettisch, Litauisch, Finnisch, Dänisch, Schwedisch, Deutsch und damals auch noch Russisch. Auch „Senglisch“ höre ich, jenes simple english, mit dem wir uns zu verständigen suchen. Doch wir verstehen uns. Trotz vieler Sprachen.

Das alte Triumphkreuz beherrscht den Kirchenraum. Aber für mich ist ein viel unscheinbareres Kreuz wichtiger. Mein Blick wandert zu dem kleinen Kreuz an der Wand in der Kieler Kirche. Es ist das Nagelkreuz von Coventry. Ein Kreuz geschmiedet aus Nägeln der Kathedrale von Coventry, die die Deutschen im Zweiten Weltkrieg bombardiert haben. Nach dem Krieg besuchten die Engländer Kiel. Sie haben das Kreuz den Kielern geschenkt als Zeichen der Versöhnung.

Bei dieser Ostseeanrainerkonferenz vor ein paar Jahren hatte ich das Nagelkreuz von Coventry vor Augen. Und ich sah uns in den Kirchenbänken, aus den verschiedenen Ländern rund um die Ostsee, mit verschiedenen Sprachen und mit dem Willen, uns trotzdem zu verstehen. Denn das verbindet uns: der gemeinsame Geist Jesu, der uns in dem anderen den Bruder und die Schwester sehen lässt.

Damals habe ich gespürt: Versöhnung ist möglich, auch unter ehemaligen Feinden. Seitdem Feindschaften wieder oder neu entstanden sind, ist mir diese Erfahrung umso wichtiger. Versöhnung wurde schon einmal wahr. Sie kann doch wieder möglich werden.

Es gilt das gesprochene Wort.