gemeinfrei via unsplash / Taylor Heery
Freude im Leid
Den Ernst des Lebens vor Augen und trotzdem feiern?
15.04.2025 06:20

Unser Autor Dirck Ackermann ist Seelsorger für Soldatinnen und Soldaten. Bei seiner Arbeit hat er den Kriegsfall vor Augen. Trotzdem oder gerade deshalb sind festliche Momente für ihn besonders kostbar.

Sendung nachlesen:

Ein trüber Herbsttag an der lettischen Ostseeküste. Die Wolken hängen tief. Trübe ist auch die Stimmung im Tagungsraum. Ich bin auf einer Konferenz von Militärgeistlichen im Ostseeraum. Wir überlegen, wie wir als Geistliche Soldatinnen und Soldaten begleiten, sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen. Keiner und keine will, dass es jemals dazu kommt. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten. Wir hören von der möglichen hohen Anzahl von Verletzten und Toten. Zunächst nur nüchterne Zahlen. Abstrakte Begriffe. Organisationsstrukturen. Landkarten.

Aber dann berichten ukrainische Militärseelsorger. Sie sind extra zu uns gekommen. Ihr Land steht seit 2014 im Krieg. Sie erzählen von getöteten Kameraden, Familienangehörigen, von Verletzten. Sie zeigen Bilder von zerstörten Landschaften. Verstörende Bilder, verstörende Erzählungen.

Ein Bild bleibt mir besonders im Gedächtnis. Es zeigt eine Ikone auf einem improvisierten Altar. Die Ikone ist mit Blut beschmiert. Ein Militärgeistlicher hat einen Angriff erlebt, während er mit Soldaten Gottesdienst feiert. Er wird schwer verwundet. Er überlebt, zwar schwer gezeichnet, aber er lebt. Ich sehe die Tränen in den Augen meines ukrainischen Kollegen, als er davon erzählt.

Und am Abend ein festliches Abendessen. Wie soll das gehen? Zunächst gehen wir zum Abendgebet in die Kapelle. Wir hören die Arie von Bach: "Bist du bei mir". Im Text geht es um Trost im Sterben. Die Melodie berührt mich. Sie tröstet. 

"Bist du bei mir, geh ich mit Freuden zum Sterben." Der Text ist heftig. Besonders an diesem Abend zwischen Kriegsberichten und festlichem Abendessen. Ich denke an eine Erzählung über Jesus: Er ist auf dem Weg nach Jerusalem und hat den Tod vor Augen. Unterwegs macht er Halt bei Freunden. Sie essen gemeinsam. Eine Frau salbt ihm mit kostbarem Öl seine Füße. Ein Fest, obwohl er den Tod vor Augen hat. Ich kann gar nicht genau sagen, wie es kam. Aber an diesem Abend, nach diesem schweren Tag kommt Feststimmung auf. Beim Abendessen feiern wir unsere Gemeinschaft, umarmen uns, machen sogar Witze. Feststimmung trotz aller Bedrohung.

Bist du bei mir, Gott. Ich glaube, darauf kommt es an. Auf Gott vertrauen. Das hilft, den Ernst vor Augen zu haben. Und das zu feiern, was das Leben kostbar macht.

Es gilt das gesprochene Wort.

Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!