Jahrzehnte lang haben sich viele in Russland und Deutschland für Versöhnung eingesetzt. Was ist seit Russlands Krieg gegen die Ukraine daraus geworden?
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Sommer 2024. Ich treffe mich mit Menschen aus Denkendorf, dem Ort der Friedensstifter, wie ich ihn nenne. Sie sind aus Oberbayern nach Berlin gekommen. Am Gendarmenmarkt herrscht Festzeltatmosphäre mit bayerischem Bier.
Ich kenne einige aus Denkendorf von früheren Begegnungen. Die Bürgermeisterin, den Bauern mit dem markanten Gesicht. Auch viele junge Leute und Jugendliche sind dabei. "Es konnten gar nicht alle mitgenommen werden", heißt es. So viele wollten mitfahren.
Unter den Denkendorfern am Gendarmenmarkt ist Christian Holz. Von Beruf Arzt versucht er auch sonst, Wunden der Vergangenheit zu heilen. Er hat den ganzen Ort mit seiner Versöhnungsarbeit zwischen Russen und Deutschen angesteckt. Seit Jahrzehnten ist er engagiert. In seinen Augen sieht man einen verschmitzten Humor und Lebensfreude. Und den festen Willen, nicht aufzugeben.
Zusammen mit dem Veteranenverein engagiert er sich für das Gedenken an Kriegstote, für Frieden und Versöhnung in Europa. Vor kurzem ist Christian Holz wieder Großvater geworden. Das spornt ihn besonders an. "Wir dürfen der kommenden Generation nicht eine Welt voller Krieg hinterlassen. Das sind wir den Gefallenen schuldig – und unseren Enkeln", sagt er.
Kann es in diesen Zeiten noch Kontakte nach Russland geben?, frage ich Christian Holz. Das ist natürlich alles viel schwieriger geworden. Viele Kontakte seien abgebrochen, weil die Menschen in Russland in Verdacht geraten, Agenten für den Westen zu sein. Aber es gibt noch Verbindungen. Die letzten Jahre ist Christian Holz noch regelmäßig nach Russland gereist. Meistens Ende Januar, wenn an das Ende der Schlacht um Stalingrad erinnert wird. Auch in diesem Jahr war der Arzt aus Bayern wieder in Wolgograd, dem damaligen Stalingrad. Er traf den ehemaligen Oberbürgermeister.
Christian Holz berichtet, was er in Wolgograd ins Gästebuch geschrieben hat. "Wir haben Spuren hinterlassen. An Gedenkorten in Russland und in Deutschland haben wir jeweils eine Schatulle mit einem Versprechen begraben. Wir haben uns versprochen, Versöhnung zu stiften. Diese Versprechen liegen noch immer dort. Daran wollen wir uns halten. Deshalb gehen wir diesen Weg weiter. Denn jeder Name, der auf den Kriegsgräberfeldern zu lesen ist, mahnt uns: ‚Sorgt ihr, die ihr noch im Leben steht, dass Friede bleibe, Friede zwischen den Menschen, Friede zwischen den Völkern.‘"
Diese Hoffnung auf Frieden, diesen Willen zur Versöhnung gibt Christian Holz nicht auf. Genauso wie die anderen, die mit ihm aus Denkendorf unterwegs sind. "Wir bleiben weiter dran." Gut so, denke ich.
Es gilt das gesprochene Wort.