Drachenkämpfer

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash / TKirstin

Drachenkämpfer
von Angelika Scholte-Reh
06.09.2022 - 06:20
11.06.2022
Angelika Scholte-Reh
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Piet ist vier Jahre alt, als ich ihm und den anderen Kindern im Kindergottesdienst die Geschichte von Daniel in der Löwengrube erzähle. Mit großen Augen hört er gebannt zu, wie Daniel eine ganze Nacht inmitten der Löwen sitzt und betet. Leidenschaftlich stellt er erst einen der Löwen dar, brüllt gefährlich und spricht nachher über die Angst, die Daniel hat, und wie sehr sich der König freut, dass Daniel die gefährliche Situation überlebt. Und dann besteht hat Piet darauf, dass wir die Geschichte noch einmal spielen. Er will unbedingt der Engel sein, der den Löwen das Maul zuhält und sie beruhigt, so dass sie Daniel nicht verletzen können. Wir legen ihm ein weißes Tuch um die Schultern und dann steht er mit weit ausgebreiteten Armen da, … stellt sich vor Daniel und spricht beruhigend auf die Löwen ein.

 

Ein Jahr später wird Piet getauft. Er hat sich mit seiner Mutter als Taufspruch einen Bibeltext ausgesucht, in dem all das wieder vorkommt: die Engel, die ihn auf Händen tragen sollen, und die Löwen und Drachen, die ihm nichts anhaben können. Er hat den Vers auswendig gelernt und trägt ihn mit klarer Kinderstimme am Taufstein vor:

Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten. (Psalm 91,11-13)

Als er getauft wird, ist die Kirche von hellem Sonnenlicht durchstrahlt. Ich erinnere mich gut. Vor allem daran, wie wichtig Piet immer die Vorstellung gewesen ist, mit Drachen und Löwen zu kämpfen und sie zu besiegen.

Dass das einige Jahre später eine existenzielle Bedeutung bekommen würde, hat an diesem strahlenden Tag niemand geahnt. Als er zehn Jahre alt ist, wird bei Piet ein Hirntumor diagnostiziert. Mit diesem Drachen kämpft der Junge zwei Jahre lang. Was ihn trägt, ist sein Glaube daran, dass Gottes Engel immer mit ihm geht. Wie er am Ende dann auch den Abschied bewusst gestaltet, damit beschenkt er die Menschen um sich herum.

Piet ist es wichtig, dass die Menschen von seinem Glauben erfahren und sich – wie er selbst – möglichst in ihm bergen können. Er besteht darauf, konfirmiert zu werden, damit er Pate für seinen Cousin bei dessen Taufe sein kann. Auch der soll das wissen: Gott geht mit uns, auch in den Krisen.

Natürlich war es dann für alle ganz schwer, als Piet starb. Doch für ihn selbst war klar: Gott wird ihn an der Schwelle des Lebens erwarten, wenn er sein irdisches Leben hinter sich lassen muss. Mich hat die Ahnung davon getröstet, wie er am Ende auf seine Weise den Drachen besiegt hat.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.06.2022
Angelika Scholte-Reh