Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Fernando Brasil
Heiterkeit
von Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit
27.11.2023 04:20
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Der November ist ein fieser Monat. Nach und nach knipst er die gute Laune aus. Und die ist gerade ohnehin Mangelware. Der November zieht mir die Energie mit immer kürzer werdenden Tagen und immer weniger Licht. Er gebärdet sich wie ein gnadenloser Fitnesstrainer, der immer mehr Gewichte auflegt. Ja, viel Schwere liegt auf den Novembertagen: das Pogromgedenken am 9. November, Buß- und Bet- und Volkstrauertag und gestern Totensonntag. Die Weltlage klingt wie ein düsteres Ostinato dazu. Ich zähle die Tage, bis der Dezember startet.

„Über die Heiterkeit“ lautet der Titel eines Büchleins, das zurzeit auf meinem Nachttisch liegt. Axel Hacke, Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins, hat es geschrieben und es damit auf Platz 1 der Bestsellerliste geschafft. Offensichtlich bin ich mit meiner Sehnsucht nach etwas Heiterkeit und Leichtigkeit in diesen Tagen nicht allein. Der Autor schreibt: „Lange Zeit habe ich gedacht, dass in meinem Leben die Angst der Motor war, der mich vorantrieb. Das war falsch. Was mich weiterbrachte, war die Sehnsucht nach Heiterkeit.“ Und dann fragt Axel Hacke: „Doch wie kann es uns gelingen, das eigene Dasein nicht nur mit Büchern, Filmen und Musik aufzuheitern, sondern Heiterkeit aus uns selbst zu schöpfen, kurz ein heiterer Mensch zu werden?“

Ein heiterer Mensch – das wäre fein. Ich halte das sonnengelbe Büchlein in der Hand, das schon vom Aussehen her ein Versprechen von Sommer ist, und frage mich, ob nicht genau das eigentlich die Botschaft des Glaubens und der Kirche ist: Heiter sein darf der Mensch, weil er vom Evangelium, der frohen Botschaft her leben kann. Heiter und getröstet, zuversichtlich leben und sterben – darum heißt der Totensonntag ja auch eigentlich Ewigkeitssonntag. Weil er durch das Dunkle schon hindurchsieht auf das, was kommt: Licht und ewiges Leben. Darum ist die liturgische Farbe an diesem Sonntag weiß und nicht schwarz. Sonnengelb würde auch gut passen…

Heiter, schreibt Axel Hacke am Ende, heiter ist man nicht, wenn man den Ernst der Lage ignoriert. Heiter bedeutet nicht albern oder naiv. Heiterkeit ist vielmehr eine kostbare Grundstimmung, eine Haltung mir selbst und anderen gegenüber. Die Kunst, sensibel und achtsam zu sein für alles Kostbare, das diese Welt zu bieten hat, auch in dieser ernsten Zeit. Wie bleibe ich heiter in diesen Tagen? Indem ich tue, was ich kann und was mich erfüllt, empfiehlt Axel Hacke. Für ihn ist es das Schreiben. Weil es in Bewegung bringt. In Bewegung kommen. Ein guter Impuls für Montag – und für den nahenden Dezember, der ja ein heiterer Monat ist, weil Weihnachten wird.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur zur Sendung:

  1. Axel Hacke, Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte. Köln 2023.