Saat und Segen

Wort zum Tage
Saat und Segen
16.06.2020 - 06:20
30.01.2020
Evamaria Bohle
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Wenn es in den Evangelien um das Reich Gottes geht, riecht es immer wieder nach Acker und Stall. Es sind Kleinbauerngeschichten. Da blöken die Schafe, eine Frau backt Brot, eine andere sucht am Monatsende in allen Ecken nach dem letzten Geld. Jesus war wohl selbst einmal Kleinbauer, und er muss ein guter Erzähler gewesen sein. Der sein Publikum überrascht und mit schrägen Stories erst zum Lachen und dann zum Staunen bringt.

 

Wie bei der Geschichte von dem offenbar unfähigen Bauern, der kostbaren Weizen verschwendet und einfach irgendwie auf die Erde streut, anstatt ordentlich zu säen. Schade, dass die Zwischenrufe der ersten Zuhörer es nicht in unser Jahrtausend geschafft haben. Sie wussten es besser: Kein Kleinbauer wirft Saatgut achtlos auf das Land, womöglich unter Dornen, und geht dann schlafen. Schön wärs, wenn es so einfach wäre.

 

Und ins gutmütige Gelächter der Leute redet der seltsame Rabbi weiter von dem, was alle kennen und auf das jeder hofft, der je etwas gesät hat: Dass es wachsen möge. Halm und Ähre. Und dass später auch was drin ist in der Ähre. Korn, aus dem man Brot backen kann. Viel zu oft bleiben die Ähren leer, das kennen alle. Dann kommt der Hunger, und wir reden nicht vom kleinen Hunger zwischendurch.

 

Dass die Saat aufgeht, ist immer existenziell. Es geht um unser Essen. Wenn sie nicht wachsen würde, die Saat, was dann? All das sieht und fühlt einer, der seinen Acker ansieht. Und weiß: Es ist nicht nur Arbeit. Es ist auch wie ein Wunder, wenn die Saat tatsächlich aufgeht. Jedes Hälmchen, ein Trost für die Augen. Ein Versprechen für den Magen. Die Hoffnung trägt Grün. Und sie geht Hand in Hand mit der Sorge: Ob in diesem Jahr alle satt werden?

 

Fast 2000 Jahre ist es her, dass diese Geschichte erzählt wurde. Von der Saat, die von allein wächst, vom Reich Gottes, das man nicht herbeiarbeiten kann. Ferne Zeit. Und trotzdem sitzen wir Heutigen recht nahe bei den galiläischen Kleinbauern. Wie sie, haben viele noch nie vom Reich Gottes gehört. Wie sie glauben wir, dass von Nichts Nichts kommt und teilen über die Jahrtausende hinweg die Erfahrung, nicht wirklich in der Hand zu haben, dass unsere Arbeit Früchte trägt.

Und auch wenn die meisten von uns lange nicht gehungert haben, wissen wir tief in uns, dass es keineswegs selbstverständlich ist, satt zu werden. Die Kleinbauernseele weiß genau, dass wir auf etwas wie Segen angewiesen sind. Das, was satt macht, verdankt sich etwas Anderem, als unserer eigenen Kraft.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Evamaria Bohle