"Reich G’ttes" ist eine Vokabel aus der Bibel. Klingt abstrakt. Aber es findet sich fast an jedem Straßenrand und auf jedem Acker, meinte Jesus.
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Reich G’ttes ist eine Vokabel der Sehnsucht. Ein Bild für Friede auf Erden und Frühstück für alle. Nichts tut mehr weh und nichts trennt mehr von G’tt. Nur: Da sind wir noch nicht. Unfriede herrscht auf der Erde.
Szenenwechsel: Die Sonne steht hoch, das Wasser glitzert, ein stiller Wind bewegt die schimmernde Fläche des Sees. Wir befinden uns im 4. Kapitel des Markusevangeliums. Nachts wird noch ein Sturm aufkommen. Aber jetzt ist es ruhig. Wir haben uns am Ufer niedergelassen. Jesus sitzt in einem leise schwankenden Fischerboot und redet wie ein Kleinbauer über das Wachsen dieses Reiches G’ttes. Das Wasser trägt seine Stimme gut.
Gerade vergleicht er das Reich G’ttes mit einem Senfkorn und mit der großen Pflanze, die aus diesem kleinen Korn hervorgeht. Wir aus dem 21. Jahrhundert googeln mal rasch: Senf ist ein einjähriges Kraut, eine Heilpflanze. Ihre Samen können ungünstige Zeiten im Boden überdauern, bis sich die Lebensbedingungen bessern. Erstaunlich: Das Reich G’ttes ist wie ein Kraut, wie ein Gewürz mit gelben Blüten.
Mir fallen andere blühenden Vagabunden aus der Pflanzenwelt ein - Malven, Löwenzahn, Gänseblümchen, Klatschmohn und so weiter, die sich in der Stadt an den unwahrscheinlichsten Stellen im Abgasgewitter zwischen Straßenpflaster und Asphalt herauszwingen. Können sie auch Bilder des Reiches G’ttes werden?
Wo etwas wächst in der Natur, ist jedenfalls G’tt am Werk, schlagen die biblischen Dichter und Denkerinnen vor. Am dritten Schöpfungstag lassen sie G’tt das Wachsen erfinden: die Pflanzen, die Saaten, die Früchte. Etwas wachsen zu lassen, trägt Gottes Handschrift. Es ist zum Staunen. Und wir Menschen bebauen und bewahren, was G’tt wachsen lässt. Idealerweise.
Es wächst jedenfalls, das Reich G’ttes, beharrt Jesus. Wie das Getreide auf den kargen Äckern der kleinen Leute, die ihm am See zuhören. Wie der wilde Senf am Seitenstreifen. Aus einem winzigen Samenkorn wächst etwas, das wir ernten können, das Wunden heilt und den Hunger stillt - den im Bauch und den in der Seele.
Das Reich G'ttes ist ein Sehnsuchtsort. Es wird nicht erobert, dieses Reich. Keine Panzer fahren, keine Drohnen fliegen. Es wird gesät, es wächst, es grünt. Und nach dem Säen kommt das Warten. Das ist mitunter schwer auszuhalten. Aber es lohnt sich, sagt Jesus. Das Reich G’ttes keimt in unserer Welt. Seht ihr’s nicht?
Es gilt das gesprochene Wort.
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