Die Bibel erzählt von einem Engel, der sich nicht gerade auf die feine Art benimmt. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
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Wenn die Engel ruppig werden, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Wir befinden uns im Gefängnis, eine Art Hochsicherheitstrakt. Petrus als politischer Gefangener wartet auf seine Hinrichtung. Er hat Angst. Die entfesselte Justiz ist grausam und unberechenbar. Plötzlich wird es hell, ein gleißendes Licht flackert über die Kerkerwände. Und aus der biblischen Trickkiste erscheint ein Engel, ein Bote G’ttes, und alles wird gut. Fast alles. Nachzulesen: Apostelgeschichte 12.
So weit, so vorhersehbar. Interessant wird es erst, wenn man sich anschaut, wie dieser sogenannte G’ttesbote sich benimmt. Für ein übernatürliches Wesen ist er ziemlich robust unterwegs. Himmlische Kräfte? Fehlanzeige. Stattdessen wird er handgreiflich, weckt den schlafenden Petrus unsanft, knufft ihn in die Seite wie ein ungeduldiger Gefängniswärter, der seinen Häftling zu einem nächtlichen Verhör abholt: "Aufstehen! Anziehen! Aber dalli!" Torkelnd kommt Petrus hoch, blinzelnd, geblendet. Alles geht rasend schnell. Träumt er? Wacht er? Es gibt keine Erklärung. Nur einen nächsten Befehl: "Mitkommen!"
Wenn die Engel ruppig werden, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Die beiden hasten durch die Gänge des Gefängnisses. Es ist lebensgefährlich. Kein Wunder kürzt ihnen den Weg ab. Keine höhere Macht kommt zum Einsatz. Dieser Himmelsbote ist ganz klar ein Fußgänger. Die Wachtposten lassen sie unbehelligt durch. Autorität muss er also haben.
Die letzte Hürde: Das eiserne Tor zur Stadt. Erst hinter der nächsten Straßenecke bleiben sie stehen. Die Flucht ist gelungen, und Petrus ist plötzlich allein. Der Engel ist verschwunden. Vielleicht musste er zurück ins Gefängnis. Zu den anderen Wärtern. Dieser Engel war ein Mensch, da bin ich mir sicher.
Natürlich ist das Spekulation. Aber es ist ja nicht weniger spekulativ, sich den sogenannten Engel als spirituelles Wesen aus einer anderen Welt vorzustellen. Ich finde es tröstend und herausfordernd, dass beherzte Menschen für andere zu rettenden Engeln werden können, zu G’ttes Boten - vor 2000 Jahren und heute.
Weil sie das Unrecht nicht ertragen, weil sie die Freiheit lieben, weil sie deshalb bereit sind, Regeln zu brechen und Risiken einzugehen. Denn es ist nicht leicht, ein Engel zu sein. Manchmal sogar bitter. Die Wächter, die Petrus entkommen ließen, werden verhaftet, erzählt die Apostelgeschichte. Was mit ihnen passiert, bleibt offen. Vielleicht ist der Engel des Petrus einer von ihnen gewesen. Ein unvergessener, ruppiger Bote G’ttes.
Es gilt das gesprochene Wort.