Von guten Mächten

Wort zum Tage
Von guten Mächten
07.10.2020 - 06:20
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„Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Das war eines der Lieblingslieder meiner Mutter. Die Worte trösten und machen Mut, geben Zuversicht, an den Tagen des Lebens und darüber hinaus.

 

Dietrich Bonhoeffer spricht nicht von Engeln. Vielleicht weil seine Vorstellung viel weiter war als die Bilder, die uns hier und dort begegnen: puttige Engelchen zum Beispiel, schwertbewehrte Männer oder gelockte Frauengestalten mit weiten Flügeln.

 

Wie sie aussehen, die „guten Mächte“? Am einem Sterbebett sitzend, still im Gebet, den Blick nach innen gewandt, dem Atmen der Sterbenden nachfühlend, ist mir einer begegnet, ein Engel. Nein, kein Mensch mit Flügeln … eher ein Vorhang, der sich in der Wirklichkeit öffnet und den Blick freigibt in eine strahlende Weite. Ich habe dieses Bild für mich bewahrt, mich hier und da erinnert, selten von dieser tröstlichen Vision erzählt.

Dann bekam ich ein Buch von Andreas Felger geschenkt. Bei diesem Maler breiten die Engel leuchtend ihre Flügel in das Dunkel aus. Berührt habe ich gesehen: er malt auf seine Weise den Engel, wie ich ihn gesehen habe: die Welt öffnet sich, das Dunkel weicht zur Seite und Licht leuchtet, strahlt hinein in meine Wirklichkeit, die Unendlichkeit in meine Welt hinein. Das Hier wird für einen Moment durchlässig für das Dort, das Jetzt für das Immer.

Ich erinnere mich, wie geborgen und beschenkt ich mich gefühlt habe, als ich sehen durfte: wie sich der Himmel für die Sterbende öffnete. Verheißung der Ewigkeit. Alles wird gut. Das Leben wird verwandelt.

 

In einem seiner Briefe spricht Bonhoeffer vom „großen unsichtbaren Reich, in dem man lebt und an dem man keinen Zweifel hat“ und in dem Lied von der „Welt, die unsichtbar sich um uns weitet“.

 

Zur Beerdigung meiner Mutter haben wir das Lied von Bonhoeffer gesungen: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, – so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“

Bonhoeffer hat gefühlt und beschrieben, wie diese guten Mächte ihn im Leben mit den Seinen verbunden haben, auch durch die Grenzen des Gefängnisses und über weite Entfernungen hinweg. Sie sind da, begleiten und behüten mich. Was auch kommen mag: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“