Mit Jesus auf die Straße

Mit Jesus auf die Straße
Pastoralreferentin Lissy Eichert
02.06.2018 - 23:35

In Berlin ist immer irgendwo eine Demo. Letzten Sonntag zum Beispiel demonstrierten die Anhänger der AfD. Aggressiv, überlaunig und mit spürbar kalter Entschlossenheit. Tausende Gegendemonstranten waren ebenfalls auf den Beinen. Mit viel Musik, bunten Kostümen und fröhlichem Protest zeigten sie, wie eine freiheitliche und tolerante Gesellschaft aussehen könnte. Einen Tag zuvor zogen Eltern mit ihren Kindern für mehr Kitaplätze und mehr Personal durch die Straßen.

Mit selbstgemalten Plakaten und Luftballons. Seit Donnerstag und auch morgen sind viele Katholiken unterwegs. Mit Liedern, mit Musik und mit Gebeten. Gefeiert wird Fronleichnam. In einer Prozession wird Jesus Christus verehrt: in Gestalt eines Stück geweihten Brotes. Es wird aus den Kirchen hinaus getragen in die Städte und Dörfer. Über Straßen und Plätze, durch Gärten und Parkanlagen. Auf dem Rhein gibt es sogar eine Schiffsprozession. Und warum der ganze Aufwand? Weil Jesus Christus selbst im Mittelpunkt steht. Weil er gesagt hat: "Ich bin das Brot des Lebens." (vgl. Joh 6,35)

Gott ist für uns ein Lebensmittel – ein Mittel zum Leben – wie das tägliche Brot. Ich bin froh über das Zeichen, unter dem wir antreten, dieses einfache Stück Brot. Es ist das Symbol dessen, wofür Christen sich stark machen: Jesus schenkt sich selbst – sein Leben - für andere. Als Wanderprediger war er oft unterwegs auf den staubigen Wegen seiner Heimat. Viele, die ihm begegneten, änderten ihr Leben. Heilungen geschahen oft en passant - wie es sich so ergab. Ob beim blinden Bettler in der Gosse oder der kranken Frau, die sich durch die Menschenmenge zu ihm durchkämpfte. Jesus lebte unter Leuten und mit ihnen. Und heute? Auch heute ist er "mittenmang" unterwegs. Zugegeben, manchmal sehr inkognito. Aber ich kann seine Anwesenheit spüren, wie den Wind, der mich umweht. Auf den Wegen meines Lebens. Und auf den Straßen Berlins.

Außenstehende wundern sich manchmal, wenn sie mit einer Fronleichnamsprozession konfrontiert werden. Auch Spott und Unverständnis gibt es, weil so manch alter Zopf mitgeführt wird. Es ist eben ein historisches, ein traditionsreiches Fest. Für manche vielleicht wie ein "Karneval der Katholiken." Für mich ist die Fronleichnamsprozession eine erfrischende Alternative, eine "Demo" für Lebensfreude und Lebensmut. Fromm, und auch politisch, denn Kirche ist ja keine geschlossene Gesellschaft. Und vielleicht muss man gerade heute für Offenheit und Toleranz auf die Straße gehen. Also runter vom Sofa. Auch wenn das Überwindung kostet. Denn nichts verändert mich so sehr wie die Begegnung. Mit Menschen, die das Leben lieben und sich kreativ für bessere Lebensbedingungen einsetzen. So wird - um mit Jesus zu sprechen - Brot gebacken. Als Lebensmittel für alle. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.