Wort zum Tage
Spoken Jerusalemite ירושלמית מדוברת محادثة مقدسية
Ein Funken Hoffnung
mit Nora Tschepe-Wiesinger
26.07.2022 06:20
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Tamara hat einen Traum. Sie möchte Ernährungswissenschaften studieren – auf Hebräisch an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Tamara ist 19 Jahre alt und Palästinenserin aus Ostjerusalem. Ihr Vater arbeitet als Taxifahrer, ihre Mutter kümmert sich um die Familie zu Hause. Damit Tamaras Traum Wirklichkeit werden kann, muss sie noch zwei Hebräisch-Sprachkurse machen und Prüfungen ablegen. Um besser zu werden, kommt sie jeden Montagabend zum Sprach-Café auf dem begrünten Dach eines Einkaufscenters im Zentrum Jerusalems. Rund 40 Frauen treffen sich hier einmal in der Woche, um miteinander Hebräisch und Arabisch zu sprechen. Es gibt Tee und Kekse, die Frauen reden in kleinen Gruppen über ihre Woche, ihr Lieblingsessen, ihre Träume. Dass sich Israelis und Palästinenserinnen in Jerusalem treffen und miteinander Zeit verbringen, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist eher eine ziemliche Ausnahme. Suza, eine 37-jährige palästinensische Mutter, erzählt, dass sie vor dem Sprachcafé so gut wie keinen Kontakt zu jüdischen Israelis hatte. Hebräisch sei für sie die Sprache des Feindes gewesen, vor Israelis habe sie vor allem Angst gehabt.

Auch Lior, jüdische Israelin aus Tel Aviv, hatte Angst und Vorurteile. Das größte Problem in Jerusalem sei es, dass Israelis und Palästinenser sich nicht auf Augenhöhe begegnen, sagt sie. Erst in ihrem Soziologie-Studium an der Hebräischen Universität freundet sie sich selbst mit Palästinenser*innen an. Mit Manar, einer palästinensischen Kommilitonin, gründet sie vor vier Jahren das Sprachcafé. Auf Facebook fragen sie, wer Interesse an einem regelmäßigen gegenseitigen Sprachaustausch habe. Sie bekommen über zweihundertfünzig Rückmeldungen. Mittlerweile ist das Sprachcafé zu einem Netzwerk von zweitausend Frauen aus Ost- und Westjerusalem angewachsen. Das Angebot richtet sich bewusst nur an Frauen. Der Umgangston unter Frauen sei respektvoller, sagt Lior. In den letzten vier Jahren habe sie hier keinen einzigen Streit erlebt. Natürlich sei die politische Lage immer präsent, aber das Sprachcafé wolle sich keiner politischen Richtung zuordnen. Liors und Manars Projekt ist zu einem Begegnungsort geworden. Ein Ort der Hoffnung in einer Stadt, in der viele Bewohner*innen sich gegenseitig oft kaum etwas und nicht viel Gutes zu sagen haben. "Es ist nicht alles so aussichtlos, wie es in den Nachrichten erscheint", sagt Lior. Sie hat Tamara dabei geholfen, ihren Lebenslauf für die Uni auf Hebräisch zu schreiben. Tamara sagt, sie freue sich auf ihr Studium – zusammen mit Palästinensern und Israelis.

Weitere Informationen zum Sprachcafé "Spoken Jerusalemite" finden Sie unter https://www.facebook.com/SpokenJerusalemite oder per E-Mail: SpokenJerusalemite@gmail.com

Es gilt das gesprochene Wort.