Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Eric Nopanen
Auf-Hören
08.12.2022 05:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Manchmal stolpere ich über ein einzelnes Wort. Ich kenne es zwar schon lange, aber in diesem Moment entdecke ich es neu. So erging es mir mit dem Wort AUFHÖREN. Ein Alltagwort. Ein Fußballer hört auf und beendet seine Karriere. Ein Ehepaar hört auf sich zu streiten und findet eine Lösung. Aufhören – ein Allerweltswort für etwas Alltägliches: etwas beenden. Aber wenn man es auf der Zunge zergehen lässt, stutzt man: Auf-hören. Was hat das Beenden von etwas mit AUF-HÖREN zu tun?

HÖREN heißt: sich öffnen für andere und anderes. Auf-Hören ist dann mehr als nur ein Beenden, nämlich: Ich steige aus meinem Trott aus, ich verlasse meine enge Spur - und höre, was los ist - um mich herum und in mir. Damit lasse ich zu, dass ich neues erfahre und dass ich irritiert werde.

Die Bibel berichtet von vielen Menschen, die in diesem Sinne auf-hören. Sie tun das stets, weil sie aus der Bahn geworfen sind, weil sie sich neu finden müssen. Dafür hören sie auf und hören auf jemanden, auf Gott. Ein Psalmgebet beschreibt, wie sich jemand an Gott wendet: „Herr, höre meine Worte, merke auf mein Seufzen! Vernimm mein Schreien, mein König und mein Gott, denn ich will zu dir beten.“ Der Psalm endet mit der Gewissheit: „Du, Gott, segnest die Gerechten, du deckest sie mit Gnade wie mit einem Schild.“ Hier tritt jemand aus dem Alltag heraus und an Gott heran. Eine Unterbrechung des Alltags, Einbruch Gottes in das Leben. Aus Aufhören wird Auf-hören, auf jemanden hören.

Manchmal braucht man das. Das Aufhören, etwas beenden. Und: auf jemanden hören. Nicht immer muss man dafür gleich Gott bemühen. Oft geht es auch etwas kleiner.

Ich denke an Menschen, die sich tagtäglich an ihrem Arbeitsplatz abmühen. Berge von Aufgaben. Und sie werden nie damit fertig. Ihr Auf-Hören muss vielleicht nur eine Pause sein, ein kurzes Aussteigen aus dem Hamsterrad. Sie machen einen Spaziergang oder sitzen wenigstens einen Moment still da mit einer Tasse Kaffee und einem schönen Bild vor ihrem inneren Auge. Wenn ihre Gedanken dann wieder zu ihrer Arbeit zurückwandern, lässt sich, hoffentlich, auch deren tieferer Sinn wieder blicken. Und sie merken: „Ja, dafür tue ich das alles!“ Vielleicht erwächst daraus auch die Energie zu sagen: „So geht es nicht weiter!“ Und darauf zu bestehen, dass sich etwas ändert.

Ich denke an Menschen, die sich auf eine wichtige Prüfung vorbereiten. Sie mühen sich so gut sie können. Aber die Angst vor dem Durchfallen schleicht immer um sie herum. Für sie kann Auf-Hören bedeuten, sich neben dem Lernen feste, freie Zeiten zu gönnen, in denen sie sich etwas Gutes tun. Sei es mit anderen Menschen zu sprechen, Sport zu treiben, zu meditieren oder zu beten. Ein solches Auf-hören nimmt etwas von der Angst und macht deutlich: „Dein Leben ist weit mehr als diese Prüfung.“

 

Wenn einem die Tretmühlen des Alltags zu mühsam werden oder die Probleme über den Kopf wachsen. Wenn das Leben keinen Sinn mehr zu erkennen gibt – spätestens dann muss man aufhören, wenigstens eine Zeitlang. Besser noch vorher. Denn im Auf-hören erscheint das eigene Leben vor einem anderen Horizont. Es ist nicht nur eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger mühsamen Tagen, bis der letzte eben kommt. Es steht in einem größeren Rahmen, in dem ich den Sinn meines Lebens finde.

Mein Leben sehe ich als Auftrag Gottes an mich. Darin ist jeder Tag, den ich lebe, ein Baustein. Wenn ich mir das vergegenwärtige, fühlt sich auch der Alltag mit seinen Sorgen und seiner Tretmühle anders an. Das spüre ich oft erst, wenn ich auf-höre. Und das tut gut. Danach kann ich mich wieder meinen Aufgaben zuwenden. Das ist eigentlich auch der Sinn dieser Morgenandacht, ein Moment zum Auf-hören – um dann, jetzt, mit neuem Elan weiter zu machen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Bibelnachweis: Psalm 5, 2ff.