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Die Sendung zum Nachlesen:
Über dem Eingang von Kirchen findet man oft den Satz: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will Euch erquicken.“ Diese freundliche Einladung stammt von Jesus, dem Menschenfreund und Gottessohn. Man kann sich gut vorstellen, wie er dabei irgendwo auf einem Platz steht. Um sich herum wuseln viele Menschen. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, in Eile, im Stress, in Sorge. Jesus fühlt mit ihnen und will sie aufmuntern. Also breitet er die Arme aus und sagt eben diesen Satz: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will Euch erquicken.“
So schön dieser Satz klingt: Er löst in mir Widerstand aus. Irgendwie typisch christlich, denke ich. Nicht wirklich fröhlich. Eher mit Blick auf die Schattenseiten des Lebens. Passend zum Kreuz, das als christliches Symbol ja auch für Leid und Tod steht.
Aber: Ist das nicht gerade verdienstvoll? Der christliche Blick auf das Leben ist eben kein Wir-reden-uns-alles-Schön-Gesülze, sondern ein ungeschönter Blick. Also lasse ich den Satz etwas näher an mich heran. Und frage mich: Bin ich damit wirklich gemeint – bin ich mühselig und beladen? Nun: Eigentlich schon, nicht immer, aber oft. Aber: Will ich so darauf angesprochen werden? Eher nein: Ich ertappe mich beim inneren Widersprechen: Nein, damit bin ich nicht gemeint. Die Müheseligen und Beladenen – das sind die anderen. Aber warum tanze ich dann nicht öfters mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen durch den Tag? Warum hänge ich so oft in trüben Gedanken fest? Warum sorge ich mich so viel um die Zukunft, die Ukraine, die Hungernden, die Kinder, den Frieden? Es stimmt schon: Es tut mir gut, wenn jemand auf mich persönlich zukommt, die Arme ausbreitet und mich anspricht: „Hier bist du richtig und deine Sorgen auch.“
Dann kommt dieser Satz mit dem altertümlichen Wort: „Ich will euch erquicken.“ Verstehe ich das? Ich weiß nicht so recht. Jesus hat ja ursprünglich aramäisch gesprochen. Seine Worte hat der Evangelist Matthäus in Griechisch aufgeschrieben und Martin Luther hat sie vor 500 Jahren ins Deutsche übertragen. Er wählte damals das Wort Erquicken. Was wäre dafür heute passend? Eine neue Bibelübersetzung versucht es so: „Bei mir werdet ihr Ruhe finden.“ Auch das ist korrekt übersetzt und klingt nicht schlecht. Man könnte es sogar noch jünger ausdrücken und sagen: Bei mir könnt ihr chillen, ausruhen, abhängen. Aber da fehlt mir etwas, das klingt mir zu flach. Denn in dem Wort, das Jesus benutzt hat, steckt noch mehr drin: sich erneuern, von etwas ablassen, etwas abstreifen.
Deshalb hänge ich an dem alten Wort Erquicken. Ich mag dieses Wort. Da denke ich an eine lange Wanderung im heißen Sommer. Längst ist mein Mund trocken - Durst. Endlich komme ich an eine Quelle. Frisches Wasser fließt durch meinen Mund und in mich hinein. Was für eine Erfrischung!
Erquicken – das klingt nach Glücksgefühl. Es steigt aus der eigenen Tiefe langsam auf, breitet sich überall aus und verwandelt den ganzen Körper in ein einziges Lächeln.
Erquicken - das fühlt sich an, als würde einem die Last von den Schultern fallen. Sie hat einen schon so lange niedergedrückt, dass man gar nicht mehr wusste, wie schön es ist ohne sie zu leben. Und nun erlebt man es.
Erquicken heißt für mich: dem Leben begegnen, wie es in seiner Schönheit sein kann und wie Gott es sich wohl einmal ausgedacht hat. Diese Schönheit steckt bis heute in der Welt. Oft unbemerkt. Und doch immer da. Sie wiederzuentdecken beginnt vielleicht damit mir ehrlich einzugestehen, dass ich mühselig und beladen bin. Das sieht Jesus ganz ungeschminkt und öffnet die Tür für alle, um sich erquicken zu lassen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Bibelnachweis: Matthäus 11,28