Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!
Die Sendung zum Nachlesen:
Die Jona-Geschichte in der Bibel. Großes Drama und Überlebenskampf auf hoher See. Die Lage auf dem Schiff ist bedrohlich. Es krängt von einer Seite auf die andere. Den Matrosen oben an Deck kommt das Essen hoch, während sie die Ladung ins Meer wuchten, um das Schiff leichter zu machen. Was sie aber nicht daran hindert, mitten im Sturm eine schnelle Fragerunde abzuhalten. Und die entlarvt, wie abwegig groß das Ego von Jona ist.
Die Seeleute fragen Jona, wo er herkommt, was er arbeitet, von welchem Volk er ist, welches Land er verlassen hat. Und Jona antwortet brav und fromm: Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat. Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor Gott geflohen war; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß: Dieses Unwetter ist nur durch meine Schuld über euch gekommen.
Nur durch meine Schuld, sagt Jona. Was sich nach Schuldeingeständnis anhört, darin erkenne ich menschliche Überheblichkeit und Selbstüberschätzung: ‚Seht – das alles macht Gott um meinetwillen!‘ Am liebsten würde ich Jona auslachen, den Selbstdarsteller. Aber mir bleibt das Lachen im Hals stecken. Was ist das, wozu Jona sie auffordert? Wenn sie ihn opfern, würde das Meer aufhören zu wüten und von ihnen ablassen, behauptet er. Sie müssten halt nur…ihn ins Meer werfen.
Sein Gott, sagt Jona, der habe das Meer gemacht. Und Jona meint wohl, der mache dann mit ihm, was er will. Dem werde er sich überlassen. Das ist ein verführerisches Angebot, quasi eine Selbstopferung mit erbetener Assistenz. Da bleibt mir die Spucke weg: Beihilfe zum frommen Suizid.
Doch die Seeleute erkennen: Jona hat ein riesig aufgeblähtes Ego. Und mit dem denkt er: ‚Wie wichtig muss ich für Gott sein, dass er so viel in die Waagschale wirft?‘ Das große Unwetter, das tobende Meer, das zerbrechende Schiff, die unschuldigen Seeleute – und alles nur, ja, weswegen eigentlich? Damit Jona wenigstens im Tod die grandiose Bedeutung bekommt, die er sich eigentlich im Leben gewünscht hat?
Die einfachen Seeleute, sie durchschauen ihn, seine Egozentrik – und weigern sich. Sie kämpfen weiter, auch um Jonas Leben. Sie rudern, dass sie ans Land kommen. Aber das Meer wird immer ungestümer.
So kommt es, wie es vielleicht nicht hätte kommen müssen: In ihrer Verzweiflung werfen sie Jona doch ins Meer. Und tatsächlich: Das Meer wird still. Und in die Stille hinein, so stelle ich es mir vor, sitzen die Seeleute erschöpft an Deck des halb zerstörten Schiffes und fragen sich: ‚Wie ist das gekommen, dass dieser Kerl uns dazu gebracht hat, ihn zu töten und wir als die Davongekommenen unser restliches Leben an ihn denken werden?‘
Und ich, im Zuschauerraum dieser Szene sitzend, schaue hin und spüre einen Widerwillen gegen Jona. Er stößt mich ab mit seinem religiösen Eifer, seiner selbstbezogenen Sicht der Dinge.
Jedoch denke ich auch darüber nach, welchen Spiegel mir die Jona-Geschichte vor Augen hält. Bin ich sensibel wie die Seeleute auf dem Schiff, die sich das Schicksal des einen Menschen Jona nahegehen lassen? Trotz seines großen Egos? Wie ist das mit den vielen verzweifelt Flüchtenden auf dem Mittelmeer, die in seeuntüchtigen Booten um Hilfe rufen, sie aber nicht bekommen? Und den immensen, aber vergeblichen Anstrengungen, die wenigen Menschen im verschollenen Titan-U-Boot zu retten?
Es gilt das gesprochene Wort.