Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Bart
Jonas Rettung
Morgenandacht von Pfarrer Eberhard Hadem
20.07.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

In der Jona-Geschichte in der Bibel spielt der große Wal eine entscheidende Rolle. Er verschluckt einen Menschen und spuckt ihn heil wieder heraus. Die Bibel erzählt, das habe der Wal auf Anweisung Gottes getan. Es ist wirklich enorm, wie die ganze Natur aufgeboten wird um Jona etwas beizubringen: Erst das Gewitter, mit ihm der Sturm auf dem Meer, nun also ein Wal. Und man könnte meinen: In ihm findet Jona seine Ruhe. Endlich ist ihm die Flucht gelungen! Endlich ist er angekommen im eigenen Privattempel!

Tatsächlich: Jona ist gerne dort unten, im Leib des großen Fischs, wie die Bibel schreibt. Dort hat er seine Ruhe, da kann er seine frommen Lieder singen. Endlich Frieden, nur er mit seinem Gott, wie Jona sich ihn wünscht. Ein Gott, der ihm keine unangenehmen Aufträge gibt. Keinen religiösen Job, irgendetwas zu predigen von Buße und Bosheit. ‚Ich brauche keine Herausforderung‘, sagt sich Jona im Bauch des Wals. ‚Ich brauche die Challenge nicht, der Stadt Ninive Tod und Vernichtung zu predigen. Mir genügt mein Frommsein, dass ich singen kann, selbst dann, wenn es dunkel ist. Ich bin ganz vergnügt hier. Sonst müsste ich mich ja fragen, was das bedeutet, dass ich hier im Dunkel sitze. Nein, ich erleide das alles gerne und singe trotzdem.‘ Der ganze Fisch war voll Gesang (1). Wie schön. Hach, hier unten fühlt er sich dem Gott nahe, der ihn in Ruhe lässt. Hier ist Jona ganz mit seinem Gott im Reinen, wie er es zuvor überhaupt nicht war.

Dennoch höre ich, wie Jona im Bauch des großen Fisches realisiert, wie es wirklich um ihn steht. Wie eine andere Einsicht in ihm wächst. Er betet: Als meine Seele in mir verzagte, da fürchtet er sich, spürt seine Angst und – erinnert sich, wer ihm helfen kann. Tief unten sieht Jona sich zum ersten Mal selbst kritisch. Und erkennt: ‚Hilfe ist bei Gott. Und ich, Jona, brauche deine Hilfe, mein Gott.‘ Mir fällt auf: Jona hat zumindest erkannt, dass der Wal nicht die finale Katastrophe ist, die er sich herbeigewünscht hat um endlich vor dem blöden Ninive-Auftrag Ruhe zu haben. Der sonst so bedrohlich wirkende Wal ist die Hilfe, ist seine Rettung. Nur anders, als er es gedacht hat.

In einer schlimmen Zeit in meinem Leben wollte ich nicht wahrhaben, wie es mir geht. Ich habe anderen und vor allem mir selbst etwas vorgemacht, wie stark ich bin. Bis es dann nicht mehr ging und ich lange krank war. Ich habe innerlich getobt und geschrien: ‚Ich bin doch gar nicht krank.‘ Es dauerte eine ziemlich lange Weile, bis ich erkannte: Meine Krankheit ist mein Wal. Meine Krankheit hat mich gerettet. Das war nicht schön. Es war unangenehm, schmerzhaft, bestürzend. Der Boden wackelte, als ich mich selbst erkannte.

Bei Jona war es der Wal. Bei mir war meine Krankheit mein Wal. Und das bringt mich zu der sehr persönlichen Frage, die ich auch anderen Menschen stelle: Was ist Ihr Wal, der Sie gerettet hat? Gab oder gibt es so einen Wal in Ihrem Leben? Was ist Ihr Wal, der Sie zur Einsicht über Sie selbst gebracht hat?

Das ist nicht nur eine persönliche Frage. In der Jona-Geschichte geht es auch um Ninive, die große Stadt. Was könnte der Wal sein, der politisch und gesellschaftlich zur Einsicht bringt? Die Kriege? Der Klimawandel? Die Naturkatastrophen der letzten Jahre? Können die ‚Ninives‘ heute die kleinen und großen Fehler weiter verbergen? Kann ich wie Jona im Wal fröhlich die Lieder vor mich hin pfeifen, die ich schon immer gegen die Angst gesungen habe? Damit ich nicht merke, wie groß die eigene Angst ist? Wie Jona im Bauch des Schiffes, das unterzugehen droht? Wie Jona im Bauch des Wals, als er es sich gemütlich machte und nicht erkennen wollte, wie es wirklich um ihn steht? – Der Wal ist die Rettung für Jona. Aber damit hört die Geschichte nicht auf.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:  (1) Klaus-Peter Hertzsch. Der ganze Fisch war voll Gesang. Biblische Balladen zum Vorlesen, Radius-Verlag Stuttgart 11. Auflage 1988, Seite 57