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Sendung zum Nachlesen
Es ist irgendein ganz normaler Tag in Bullerbü und Astrid Lindgrens Kinderbuchfiguren spazieren an einer Straße entlang. Die neunjährige Lisa erzählt:
“(…) und ich sagte: "Uh, wie es staubt." Aber da fragte Lasse, warum ich das sagte. "Warum sagst du nicht auch ‚Uh, wie die Sonne scheint’ oder ‚Uh, wie die Vögel zwitschern.‘“ Wer hatte denn befohlen, daß man es schön finden solle, wenn die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, und nicht, wenn es staubt? Und da beschlossen wir, es schön zu finden, wenn es staubte. Als das nächste Auto vorbei war und wir so in Staubwolken gehüllt waren, daß wir einander kaum sehen konnten, da sagte Lasse: "Oh, wie herrlich es heute staubt!" (...) Britta stand mitten im dicksten Staub. Sie streckte die Arme in die Höhe und rief: "Was für ein herrlicher, herrlicher Staub!“
[Astrid Lindgren: Die Kinder aus Bullerbü. Oetinger, 1988, S. 282.]
Da wo ich wohne, stauben die Straßen nicht so sehr, dass es mich in Staubwolken hüllt. Der Ausruf „Uh, wie es staubt“ würde mir höchstens beim Wohnungsputz entschlüpfen. Auf den Straßen höre ich andere Sätze: „Uh, ist das kalt“, „uh, wie es regnet“ und „uh, so ein Gedränge“.
Was die Kinder aus Bullerbü da machen, ist für sie ein lustiges Unsinns-Spiel. Gleichzeitig ist es aber kognitives Training: Auf eine Situation mal nicht so zu reagieren, wie es mir mein Automatismus vorgibt. Besonders beim Streiten wünsche mir oft, dass ich das könnte. Statt wie immer genervt zu reagieren, einfach einen Scherz machen. Statt wie immer gekränkt zu sein, klar erklären, was mir nicht passt. Statt wütend zu werden, überraschend etwas besonders Liebevolles sagen.
So eine überraschend andere Reaktion kann einen aufkeimenden Streit im Nu abwürgen. Ganz selten gelingt mir das, meistens spule ich einfach meine lang angewöhnten, üblichen Reaktionsmuster ab.
So ein Mach’s-wie-die-in-Bullerbü-Morgen in der Stadt ist da ein prima Trainingsfeld: Ein Training für neue Reaktionen. Mir Automatismen abtrainieren, die ich eigentlich sogar selbst blöd finde. Und üben, so zu reagieren, wie ich eigentlich gern reagieren möchte.
Morgen, nehme ich mir vor, morgen geh ich aus der Tür und finde einfach mal alles anders als sonst. Ich werde sagen „uh, wie herrlich laut es ist“ und „uh, wie schrecklich die Sonne scheint“. Und vielleicht werde ich wie Britta die Arme in die Luft werfen und sagen „oh wie herrlich, dass meine Bahn nicht kommt“.
Es gilt das gesprochene Wort.