Highway to Heaven
Fromme Rocksongs
22.09.2024 07:05

"Wild God" heißt das frisch erschienene Album der Rockband "Nick Cave & The Bad Seeds". Wilder Gott. Einer der vielen Songs, die ins Glaubensherz treffen.

Sendung nachlesen:

"Wild God" heißt das frisch erschienene Album der Rockband "Nick Cave & The Bad Seeds". Wilder Gott. Einer der vielen Songs, die ins Glaubensherz treffen.

Wie: Gott fliegt durch die Luft wie ein prähistorischer Vogel? Er blickt enttäuscht aus dem Himmel und fragt sich, warum die Menschen da unten irgendwie so verstockt wirken? Aber dann hört Gott einen Ruf zu sich herauf: "Bring your spirit down", "Lass deinen Geist herabfließen"?
 

Nick Cave: Wild God

Bring your spirit down / Oh, we're wild gods, baby, we're wild gods
Yeah, bring your spirit down
Oh, well, he's moving through the flames of anarchy
And he's moving through the winds of tyranny
And the sweet, sweet tears of liberty, yeah, moving 'round the world
He's moving through your body like a prehistoric bird…

"Wild God": US-Rockstar Nick Cave hat diesen Song geschrieben, gerade ist sein gleichnamiges Album erschienen. Nick Cave singt darauf viel von Gott und Gnade, von wahrer Freude und tiefer Liebe, von Schuld und Vergebung. Er sing nicht vom lieben Gott - er singt vom wilden Gott. Nick Cave sind so intensive Glaubenssongs gelungen, dass es mich umhaut. Und viele Kritiker und Feuilletonisten auch: Sogar jene, die sonst mit Glaube und Kirche nicht viel anfangen können. Dass Gott auch enttäuscht sein kann, dass Gott Gefühle hat und genervt darüber ist, dass er ihnen immer wieder sagen muss: "Achtet auf euer Herz! Achtet auf euer Herz!"
 

Nick Cave: Wild God

And the people on the ground cried when does it start?
And the wild god says it starts with the heart, with the heart, with the heart

"Wild God": Mal wieder so ein Song, der mich im Glaubensherz trifft. 

Kirchenlieder kenne ich aus dem Gottesdienst. "Großer Gott, wir loben dich", "Gott ist gegenwärtig", "Lobe den Herren". Seit meiner Konfirmandenzeit sind sie mir vertraut. Die lassen sich gut mitsingen - bewährte Texte, eingängige Melodien. Die meisten hunderte Jahre alt. Als ob der Glaube sich nur in alten Melodien mitteilen lässt! Wie schade -fand ich schon als Jugendlicher.

Religiöse Aha-Erlebnisse verschafften mir die altehrwürdigen Lieder damals nicht. Die bekam ich in der Popmusik. Predigten von der Kanzel fand ich irgendwie richtig. Aber die große Freiheit des Glaubens: die lernte ich aus Popsongs. Der Soundtrack meines Lebens ruft bei mir nicht nur Erinnerungen an wilde Partys und erste Küsse wach. Bei mir ist er auch ein Soundtrack zu meinem Glaubensleben. Ganz oben steht darauf dieser Song von der Band "Led Zeppelin":
 

Led Zeppelin: Stairway to Heaven

There's a lady who's sure all that glitters is gold
And she's buying a stairway to Heaven

When she gets there she knows, if the stores are all closed
With a word she can get what she came for

Ooh, ooh, and she's buying a stairway to Heaven

Da meint eine vornehme Dame doch tatsächlich, sich für Geld alles kaufen zu können – sogar eine "Stairway to Heaven", eine Treppe in den Himmel. Das Lied strotzt vor biblischen Motiven. Die "Lady" übersieht die "Zeichen an der Wand" – das spielt auf eine Geschichte in der Bibel an, in der eine Warnung an der Wand auftaucht, wie von unsichtbarer Hand geschrieben. Die Dame im Song von Led Zeppelin muss erst mühsam lernen, dass es im Leben nicht auf Gold und Reichtum ankommt. Man sollte nicht dem Mammon folgen – sondern den leisen Tönen eines Flötenspielers. Und dann weist Rocksänger Robert Plant in dem Lied die "Lady" auch noch darauf hin, dass es für sie noch nicht zu spät sei, den rechten Weg der Tugend einzuschlagen.

Wow. Ein Rocksong, der biblische Frömmigkeit vermittelt! Für mich als Jugendlicher war das eine Offenbarung. Erklärte mir jemand von der Kanzel, ich solle den rechten Weg gehen, dann wendete ich mich ab, wollte nicht moralisch belehrt werden. Hörte ich dieselbe Geschichte in diesem Rocksong, dann verstand ich plötzlich: Die alten Glaubensweisheiten gelten heute genauso wie in alten Zeiten. Die gehen mich an, mich ganz persönlich. Und ich wunderte mich: Wie kam es nur, dass Rockmusiker so verschrien waren – wo sie doch eigentlich ziemlich konservative Botschaften verkündeten?

Welchen Weg soll ich für mein Leben wählen? Als Jugendlicher stellte ich mir die Frage genauso wie Led Zeppelin. Der Weg der Tugend verhieß Bodenständigkeit und Langeweile. Der Highway to Hell hingegen versprach Spaß und Leidenschaft – drohte aber eben direkt in die Hölle zu führen. Einen "Highway to Heaven" müsste es geben, dachte ich mir, die Kombination aus wild und gut. Und fand in vielen Songs Wegweiser, wo der entlangführen könnte. Die waren nur selten so schrill wie bei den Hardrockern von AC DC. Viele leise Songs hörte ich. In denen ging es auch um Jesus. Da sang zum Beispiel ein Mann mit sonorer betörender Stimme: Jesus rettet Ertrinkende.
 

Leonard Cohen: Suzanne

And Jesus was a sailor when he walked upon the water
And he spent a long time watching from his lonely wooden tower
And when he knew for certain only drowning men could see him
He said all men will be sailors then until the sea shall free them
But he himself was broken, long before the sky would open
Forsaken, almost human, he sank beneath your wisdom like a stone

Leonard Cohen zog mich in seinen Bann. In ein Liebeslied flechtete er eine Jesus-Geschichte ein. Die steht so nicht in der Bibel – ist aber getragen von biblischem Geist: Jesus hält Ausschau nach Notleidenden. Für Leonard Cohen, den kanadischen Liedermacher mit der warmen Stimme, schien das zusammenzugehen: irdisches Verliebtsein und himmlisches Sinnieren.

Als ich sein Lied Suzanne zum ersten Mal hörte, war auch ich neugierig auf beides: Auf das, was mich da in der Liebe erwartet – und auf das, was ich im Glauben entdecken würde. Einige Jahre nach "Suzanne" brachte Leonard Cohen Sex und Spiritualität noch eindrücklicher in einem Lied zusammen:
 

Leonard Cohen: Hallelujah

Now I've heard there was a secret chord / That David played, and it pleased the Lord
But you don't really care for music, do you? / It goes like this, the fourth, the fifth
The minor falls, the major lifts / The baffled king composing Hallelujah
Hallelujah, Hallelujah

Mehrere biblische Geschichten entdeckte ich in dem Song. Die von König David, der sich in eine verheiratete Frau verliebte. Die Geschichte vom scheinbar unverletzbaren Simson, der so verliebt in Delilah war, dass er sich von ihr seine Macht nehmen ließ. Und dann erzählte Cohen von seinen eigenen sexuellen Eskapaden, in die er sich manövriert hatte. Am Ende seines Lebens würde er vor Gott stehen – mit nichts auf seinen Lippen als einem "Halleluja". Denn Gott habe er auch in seinen tiefsten Lebenstälern nie vergessen.
 

Leonard Cohen: Hallelujah

Halleluja, Halleluja

Ich reiste weiter auf meinem Highway to Heaven. Die Sache mit Gott fand ich so spannend, dass ich Theologie studierte. An der Universität büffelten wir Sprachen: Hebräisch, Griechisch, Latein. Wir erfuhren Hintergründe über die Bibel. Wir lernten, wie man redlich und respektvoll von Gott spricht.

Wenn ich mein Lernpensum hinter mir hatte, suchte ich Gleichgesinnte in der Musik. Menschen, denen der Glaube wichtig war. Die Musik liebten. Und die aus vollem Herzen, cool und unbändig, vom Glauben sangen. Nicht larmoyant, ironisch oder anzüglich. Sondern ehrlich und leidenschaftlich. Bono war einer von ihnen, deren Musik ich hörte. Der Sänger war in einem katholisch-evangelischen Elternhaus groß geworden. In Irland. Er litt darunter, dass auf der irischen Insel Bürgerkrieg herrschte. Bono war davon beseelt: Glaube kann Frieden und Versöhnung bringen. Aber nur ein Glaube, der nicht besserwisserisch daherkommt. Glaube ist nie am Ende, Glaube ist nie Wissen. Deshalb bleiben auch wir Glaubenden zeitlebens Suchende.

In großer Aufrichtigkeit sang Bono von dieser Suche.
 

U2: I Still Havent‘ Found What I’m Looking For

I have climbed highest mountains /I have run through the fields / Only to be with you.
I have run / I have crawled / I have scaled these city walls / Only to be with you
But I still haven't found what I'm looking for

Überall habe er Gott gesucht, sang da dieser drahtige Mann aus Irland, seine Band U2 trieb den Song voran. Aber was er gesucht hat, das hat er nicht gefunden. Und dann, in der dritten Strophe, bekannte er seinen Glauben. Das hört sich an wie ein Glaubensbekenntnis: "Du hast die Ketten zerbrochen, das Kreuz meiner Schuld getragen. Du weißt: Ich glaube daran."
 

U2: I Still Havent‘ Found What I’m Looking For

You broke the bonds / And you loosed the chains / Carried the cross / Of my shame / You know I believe it / But I still haven't found what I'm looking for

Das Suchen hört auch nach einem Glaubensbekenntnis nicht auf: Was Bono da sang, klingt wie kluge Theologie. Der Glaube ist nie ganz fassbar, er ist im Wandel. Im Glauben gibt es keinen Stillstand und keine hundertprozentige Sicherheit. Ein so verstandener Glaube schiebt jeder religiösen Überheblichkeit einen Riegel vor. Und ich fantasierte: Solche Rocksongs müssten doch eigentlich im Kirchengesangbuch stehen! Ich schrieb sogar mal eine Liste mit den Songs aus dem Soundtrack meines Lebens, die in Gottesdienste passen würden. "Sympathy for the Devil" stand darauf: Grandios, wie Mick Jagger darüber singt, dass der Teufel eigentlich in jedem von uns steckt. Die Friedenshymne "Blowing in the Wind" gehört ins Gesangbuch. Der Folksänger Bob Dylan hat beim Songschreiben die Bibel neben sich liegen gehabt. "Ihr Menschengeschlecht, ihr habt Ohren zu hören und hört doch nicht, wenn Unrecht geschieht". Und noch ein Popsong gehört hinein: "One of Us". Was, wenn Gott einer von uns wäre, fragt Sängerin Joan Osborne. Wenn Gott ein einsamer Fremder im Bus wäre und wir ihn erkennen würden, was würden wir ihn fragen?
 

Joan Osborn: One Of Us

If God had a name what would it be? / And would you call it to his face?
If you were faced with Him in all His glory / What would you ask if you had just one question?
And yeah, yeah, God is great – God is good.
What if God was one of us? Just a slob like one of us
Just a stranger on the bus, tryin' to make his way home?
If God had a face what would it look like?
And would you want to see If seeing meant that you would have to believe

Ganz schön herausfordernd. Sängerin Joan Osborne holt Gott aus dem Himmel. Ein kühner Gedanke. Mich inspiriert er: Worüber würde ich eigentlich mit Gott sprechen, wenn er – oder sie ?!? – plötzlich vor mir stünde? Würde ich überhaupt Worte finden? Und wenn: Wahrscheinlich würde es mir schwerfallen, auf Augenhöhe mit ihm zu sprechen. Aber warum eigentlich? Warum er nicht Kriege beendet, würde ich Gott fragen, warum es immer noch Hunger gibt auf der Welt? Und dann würde ich ihn ansehen und spüren: Gott ist überfordert. Ich kann ihn doch nicht verantwortlich dafür machen, was Menschen anderen Menschen antun?! Dieser Gott ist eben nicht allmächtig. Aber er steigt hier zu mir in den Bus, mischt sich unters Volk. Was für eine Botschaft! Gott auf Erden. Der Himmel auf Erden!
 

Tracy Chapman: Heaven‘s Here on Earth

I've seen and met angels wearing the disguise /
Of ordinary people leading ordinary lives
Filled with love, compassion, forgiveness and sacrifice - Heaven's in our hearts

Über den Himmel auf Erden hat auch die englische Sängerin Tracy Chapman einen Song geschrieben. Auch er steht auf meiner Playlist. "Ich habe Engel in Verkleidung gesehen, sang Tracy Chapman" – "ganz normale Menschen, erfüllt von Liebe, Mitgefühl, Vergebungsbereitschaft und Opferbereitschaft." An ihnen ist zu erkennen: Der Himmel ist nicht im Jenseits. Das Himmelreich ist schon mitten unter uns. So wie Jesus es gesagt hat der Bibel zufolge. Wir können uns gegenseitig den Himmel machen. Wenn wir Frieden, Liebe und Verständnis leben. Tracy Chapman führt in ihrem Lied den Gedanken noch weiter: Wenn der Himmel schon hier auf Erden in unseren Herzen ist, dann ist die ganze Welt Gottes Haus! Dann gibt es keine Trennung mehr zwischen "heilig" und "weltlich".
 

Tracy Chapman

I've seen spirits / I've met angels / I've touched creations / beautiful and wondrous
I've been places / where I question all I think I know
I believe, I believe, I believe: this could be heaven

We are born inside the gates / with the power to create life and to take it away
The world is our temple the world is our church: Heaven's here on earth

If we have faith in humankind / And respect for what is earthly
And an unfaltering belief / In peace and love and understanding
This could be heaven here on earth

Der Soundtrack meines Glaubenslebens enthält auch Songs, die vom Tod handeln. Was mit uns Menschen geschieht nach dem irdischen Leben, das ist ja gar nicht so klar. Wir werden auferstehen, heißt es in der Bibel. Das ist schwer vorstellbar. Wer glaubt, ahnt aber: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Leben geht nach dem Tod auf schwer vorstellbare Weise weiter. Wie – das weiß niemand. Aber man darf freimütig darüber nachdenken und sich so seine Bilder machen. "Hinterm Horizont geht’s weiter", sang Udo Lindenberg, "so was Großes geht nicht einfach so vorbei!" Lindenberg schrieb den Song in Trauer. Eine seiner besten Freundinnen und Weggefährtinnen war jung gestorben.

Lindenberg haderte mit der Frage: Warum. Doch er ließ sich von ihr nicht knechten und blickte fromm voraus: Mit dem Tod kann ja die Liebe nicht zuende sein. Nein, hinter dem Horizont des Sterbens geht’s weiter, da wird ein neuer Tag anbrechen!
 

Udo Lindenberg: Hinterm Horizont

Wir waren zwei Detektive, die Hüte tief im Gesicht. Alle Straßen endlos, Barrikaden gabs für uns doch nicht. Du und ich das war einfach unschlagbar, ein Paar wie Blitz und Donner, und immer nur auf brennend heißer Spur. / Wir waren so richtig Freunde bis in Ewigkeit, das war doch klar. Haben die Wollen nicht gesehen am Horizont, bis es dunkel war. Und dann wars passiert, hab es nicht kapiert, ging alles viel zu schnell. Doch zwei wie wir, die dürfen sich nicht verlieren! Hinterm Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag.

Ja, auch traurige Lieder gehören zum Soundtrack meines Lebens. Von Eric Clapton stammt eines. Der Musiker hatte eine schwere Kindheit hinter sich. Als "Gitarrengott" wurde er verehrt, Drogen und Alkohol-Abstürze waren der Preis für den Ruhm und das schnelle Leben. Dann war sein Leben endlich ruhiger geworden, seine Freundin bekam ein Kind. Eric Clapton war unbändig stolz auf seinen Sohn Conor. Mit fünf Jahren stürzt Conor aus einem Hochhausfenster und stirbt. Eric Clapton ist am Boden zerstört. Seine Gefühle und seine Gedanken kleidet er in ein Lied.
 

Eric Clapton: Tears in Heaven

Would you know my name / If I saw you in heaven? Would it be the same / if I saw you in heaven? I must be strong.

Clapton fragt sich: Wird mein Sohn mich erkennen, wenn ich ihm einst im Himmel begegne? Wird er meine Hand nehmen? Offene Fragen. Aber eins weiß Clapton:
 

Eric Clapton Tears in Heaven

Beyond the door / There's peace, I'm sure / And I know there'll be no more / Tears in heaven. Would ou know my name if I saw you in heaven?

Im Himmel werden keine Tränen mehr sein. Kein Leid und kein Geschrei. Ich finde es bemerkenswert, wie biblische Texte ihren Weg in Popsongs gefunden haben. Denn was Clapton hier singt, das steht im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Am Ende der Zeiten, heißt es da, wird Gott alle Tränen abwischen. Was für eine tröstliche Vorstellung!

Ja, viele fromme Pop- und Rocksongs treffen mich ins Herz. Sie drücken nicht nur Lebens-, sondern auch Glaubenserfahrungen aus. Der Soundtrack meines Lebens ist ein treuer Begleiter auf meinem Highway to Heaven. Er lässt mich die Tiefe des Glaubens und den Sinn des Suchens spüren. Mit alten Songs – und mit neuen. Halleluja!

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Musik dieser Sendung:

1-2.    Nick Cave: Wild God
3.       Led Zeppelin: Stairway to Heaven
4. ​​​​​​​       AC DC: Highway to Hell (Intro)
5.  ​​​​​​​      Leonard Cohen: Suzanne
6-7. ​​​​​​​    Leonard Cohen: Hallelujah
8.-9.   U2: I Still Havent‘ Found What I’m Looking For
10.     Joan Osborn: One Of Us
11-12. ​​​​​​​Tracy Chapman: Heavens Here on Earth
13.     Udo Lindenberg: Hinterm Horizont
14-15. Eric Clapton: Tears in Heaven
16.     Andy Angel: Hallelujah  (instrumental)