Miteinander beten, Andachtsbilder, Gottesdienst feiern – das haben die Nazis den KZ-Gefangenen verboten. Viele inhaftierten Frauen haben es trotzdem getan. Ein Beitrag der evangelischen Kirche.
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"Ich habe jeden Sonntag aus Bibel und Gesangbuch Gottesdienst gehalten. Freilich nur einer kleinen Gruppe von vierzehn Frauen."
Das schrieb die evangelische Theologin Katharina Staritz in Erinnerung an ihre Haftzeit im
Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Sie nutzte damals den Gang auf der Lagerstraße in der arbeitsfreien Zeit, um ihre Leidensgenossinnen geistlich zu stärken. "Dann mussten wir immer zu fünft in einer Reihe gehen. Aber es durfte nicht bekannt werden, was wir sprachen. Ich ging in der Mitte von drei Fünferreihen. Lang konnte dieser Gottesdienst nicht sein. Und ich nahm als Text stets ein Wort, das wie für unsere Lage geschrieben schien."
Solche Aktivitäten waren streng untersagt. Auch religiöse Gegenstände durften nicht entdeckt werden. Manche wurden ins Lager geschmuggelt. Ein Beispiel schilderte die Katholikin Katharina
Katzenmaier in ihren Lebenserinnerungen: "Die Marienmedaille hatte ich schon auf dem Transport in meine Zahnpastatube vom hinteren Ende her eingeschmuggelt und bei der scharfen Kontrolle zu Beginn, bei der im Mund, zwischen den Zehen, zwischen den Fingern, hinter den Ohren nachgesehen wurde, kam niemand auf die Idee, die Zahnpastatube zu kontrollieren."
Einige Glaubensgegenstände stellten die Frauen im Lager heimlich her. Immer in Gefahr entdeckt zu werden, bastelten sie Rosenkränze, Andachtsbilder und Kruzifixe. Beispiele davon sind in der Gedenkstätte Ravensbrück zu sehen: Gebetsketten aus gekautem Brot, aus gesammelten Beeren, aus Wolle, aus Textilien, aus einem Seil, aus dem Tragegriffe von Munitionskisten gefertigt wurden.
So verborgen, wie sie ihre Andachtshilfen herstellten, trafen sich die Frauen in kleinen Gruppen zum Beten, zum religiösen Gespräch und, um die Sakramente zu feiern. Einen Pfarrer oder Priester gab es im Konzentrationslager Ravensbrück nicht. So übernahmen die katholischen Frauen, die im Lager in der Mehrzahl waren, priesterliche Funktionen. Sie spendeten die Heilige Kommunion, sofern sie geweihte Oblaten beschaffen konnten. Das gelang nur, wenn sie bei Arbeiten außerhalb des Lagers unbemerkt einen Priester treffen konnten. Und sie machten vom Recht der Nottaufe Gebrauch. Dabei war äußerste Vorsicht geboten.
Die deutsche Ordensschwester Felixina Armbruster schrieb in ihren Erinnerungen: "Dann wurde ich als ehemalige Krankenschwester dem Revier zugeteilt. Das war mein Glück. Sonst würde ich wohl nicht mehr leben. Längere Zeit war ich nun im Wöchnerinnensaal tätig. Da konnte ich auch ein wenig seelsorgerlich wirken. Mehr als 500 Kindern konnte ich mit Hilfe einer katholischen Hebamme die Taufe spenden. Oh, wenn die SS das erfahren oder nur geahnt hätte! Die Taufen wurden heimlich vorgenommen. Nur einmal, als lauter zuverlässige Leute im Saal waren, habe ich fünf Kinder frei und offen getauft."
Auch die Zeuginnen Jehovas tauften heimlich. Für die bei ihnen übliche Ganzkörpertaufe nutzten sie ein Wasserfass in der Wäscherei des Lagers.
Ihre religiöse Überzeugung gebot ihnen offenen Widerstand. Das zeigten sie besonders eindrücklich am 19. Dezember 1939. 50 von ihnen wurden in der Nähstube aufgefordert, für die Soldaten an der Front als Liebesgabe zu Weihnachten Beutel zu nähen. Gemeint waren Patronentaschen. Sie lehnten das ab. Daraufhin ließ sie der Lagerkommandant draußen antreten und die übrigen Zeuginnen Jehovas dazu holen. Den etwa 400 Frauen drohte er: Wer sich weigere, die Beutel zu nähen, solle nach links treten. Bis auf drei taten das alle, ungeachtet dessen, dass ihnen schwere Strafen bis zur Hinrichtung drohten.
Mehrfach noch versuchte der Lagerkommandant, die Zeuginnen zu brechen, forderte sie auf, die Socken von Soldaten zu stopfen oder die heidnische Sonnenwendfeier vorzubereiten. Ihre strikte Antikriegshaltung und ihr Gehorsam gegenüber Gott ließen sie ihre widerständige Haltung aufrechterhalten. Wenn auch nicht mehr ganz so stark wie im Dezember 1939.
Es ist nicht viel überliefert, was vom religiösen Leben in Ravensbrück berichtet. Neben wenigen
religiösen Gegenständen geben darüber vor allem die Erinnerungen ehemaliger Insassinnen Auskunft, wie die von Katharina Katzenmaier.
Über das Weihnachtsfest 1943 hielt sie fest: "Ich stand an diesem Tag mit vielen polnischen, russischen, englischen und französischen Frauen in einem vereisten Sumpf in der Nähe des Schwedtsees. Wir mussten mit Pickel und Hacke die dicke Eisdecke aufschlagen, unter Schlägen die Eisbrocken aufheben, mussten die gefrorenen Eis- und Erdklumpen mit den Händen wegtragen. Ich hatte keine KZ-Jacke an, denn an diesem Feiertag hing die Wäsche feucht im Block am Bett. Steif gefroren und weinend vor Hunger und Not stand ich dort und konnte nur drüben die Kirchenspitze des Städtchens Fürstenberg sehen. Da war so viel Heimweh, so viel Leid und Elend, dass der Tod von uns immer mehr herbeigesehnt wurde. Er hätte uns Erlösung gebracht."
Zermürbt von der Arbeit schleppte sich Katharina Katzenmeier mit ihren Leidensgenossinnen am Abend fiebergeschüttelt in ihre Baracke. In all der Qual und Erschöpfung empfingen sie doch so etwas wie Trost und erfuhren auf ungewöhnliche Weise die Botschaft der Weihnacht. Katharina Katzenmaier schrieb: "Aus Fürstenberg über dem See drüben hörten wir noch leise die Kirchenglocken. Bei uns hatte keiner ein Streichholz, um eine Kerze anzuzünden. Aber wir hatten Zeit zur inneren Besinnung. Irgendwie in den Tagen um Weihnachten trafen wir uns mit wenigen Gesinnungsgenossen zu kurzem heimlichen Gespräch. Unter uns christlichen Häftlingen konnten einige die Liedtexte von der Geburt Christi auswendig. Kopf an Kopf zusammengesteckt, flüsterten wir uns leise den Text zu. Ein Licht leuchtet in der Finsternis hier im Todesschatten."