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Der Jubelruf
mit Pfarrerin Angelika Obert
01.06.2024 10:00

„Halleluja!“ singen sie auf dem Bahnhof. Die Stimmen grölen schräg und schwer vom Bier. Es sind die richtigen Tore gefallen, Sieg für die eigene Mannschaft. Die fiebrige Spannung hat sich gelöst: Halleluja. 

„Halleluja!“ brüllt der 18-Jährige, der mit dem Abi-Zeugnis in der Hand zum letzten Mal aus der Schultür tritt. Geschafft! Der ewig lange Schuldruck ist vorbei. Eine wichtige Etappe ist geschafft.

„Halleluja!“ singt die christliche Gemeinde jeden Sonntag im Gottesdienst, auch wenn sie gar nicht in Hochstimmung ist. Sie jubelt liturgisch über die Auferstehung Christi. Wahrscheinlich weiß sie das gar nicht so genau. Nur dass das „Halleluja“ ein Lobgesang ist, der Gott gilt, weiß man in der Kirche wohl etwas besser als nach dem Fußballspiel auf dem Bahnhof.

„Halleluja“ kommt aus dem Hebräischen und heißt übersetzt: „Preiset Jah!“ JHWH ist gemeint, der Gott Israels. „Halleluja!“ So wird Gott in den Psalmen gelobt. Und dieses Jubelwort hat sich erhalten über die Jahrtausende auch in den verschiedenen Sprachen der Christenheit. Es scheint unersetzlich zu sein in seinem besonderen Klang, der ja ein bisschen an das hingebungsvolle Lallen eines Babys erinnert: la – le –lu –la.

Klang des zur Ruhe gekommenen Herzens

Darüber hat sich vor langer Zeit schon der Kirchenvater Augustin Gedanken gemacht. Der Jubel, so schrieb er, fängt da an, wo mir die Worte fehlen, weil die Freude im Herzen größer ist, als es die dürre Sprache hergibt. Jubel ist ein Gesang jenseits der Worte, ein Klang, der das Unsagbare hervorbringt.

Und da Gott eben der Unsagbare ist, in Worten nicht zu fassen, kann man nicht mehr reden, sondern nur noch jubeln, wenn man von seiner Nähe erfüllt ist: Halleluja. Das ist der Klang des zur Ruhe gekommenen Herzens, heißt es bei Augustin. Wenn man sich nicht mehr mühen und sorgen muss, wenn aller Druck aufhört, dann ist da nicht Nichts, sondern Jubel. So ist es im Himmel, bei Gott, darum wird von den Engeln gesagt, dass sie unentwegt das Halleluja singen.

Auf Erden aber, sagt Augustin, sei das gesungene Halleluja ein Vorgeschmack, ein kleiner Duft von der großen himmlischen Ruhe. Dabei war der Kirchenvater klug genug anzumerken, dass man hienieden nicht stundenlang „Halleluja“ singen kann, nur um viel Vorgeschmack vom Himmel zu bekommen. Wer es den Engeln nachtun und immerzu jubeln wollte, würde bald ermüden, befand er. (1)

Der Münchner Einspruch

Was auf Erden ermüdend ist, kann auch im Himmel nicht ewig Spaß machen, dachte sich der bayrische Schriftsteller Ludwig Thoma, als er die Geschichte vom „Münchner im Himmel“ erfand. Da ist es der Dienstmann Alois Hingerl, der vom Schlag getroffen im Himmel eintrifft und die dortigen Gepflogenheiten nicht lange aushält. Von 8 bis 12 soll er frohlocken, von 12 bis 8 Hosianna singen. Zu essen gibt es nur Manna, zu trinken schon mal gar nichts.

Bald mutiert sein „Halleluja“-Gesang zu einem kräftigen bayrischen Fluchen. Er beschwert sich beim lieben Gott: Das sei ja wohl kein Leben, immer nur singen und nichts zu trinken. Der Himmel hat ein Einsehen und schickt ihn auf die Erde nach München zurück, wo Alois Hingerl noch heute im Hofbräuhaus sitzt. Das ist nun mal sein Himmel.

Auch im Biergarten: Ein Vorgeschmack himmlischer Freude

Mit Ludwig Thoma hat schon so mancher gefunden, dass die irdischen Freuden allemal besser sind als die himmlischen. Doch ich glaube, das ist zu klein von Gott gedacht. Ich glaube, dass all die irdischen Freuden, auch die schlichtesten, eben doch ein Vorgeschmack der himmlischen Freude sind: das gewonnene Fußballspiel, das Abi-Zeugnis, der Abend im Biergarten – immer dann, wenn das Herz zugleich bewegt und erleichtert zu einem gewissen Hochgefühl kommt, immer dann, wenn der Druck weicht und die Daseinsfreude beginnt, weht etwas herüber vom himmlischen „Halleluja“. Gönnen Sie sich’s. Dazu ist der Sonntag da.

 

(1) wiedergegeben nach:  Alex Stock, Poetische Dogmatik, Gotteslehre, Band 2: Namen, Schöningh, Paderborn 2005 S. 56 ff.