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Maria, Rosa und die große Hoffnung
ein Beitrag der evangelischen Kirche
08.03.2025 10:00

Gerechtigkeit für alle – das war die Hoffnung der Frauen, die den Frauentag begründeten. Sie hatten eine große Vorgängerin in der Bibel. Ein Beitrag der Evangelischen Kirche.

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Vom Weltfrauentag am 8. März wusste ich in meiner Schulzeit noch nichts. Der kam in Bonn nicht vor. Ich erinnere mich vielmehr deutlich, wie wir mit dem Familienbesuch sonntags immer nach alter Ordnung spazieren gingen: Die Männer gingen voran und sprachen über Politik. Die Frauen kamen mit Abstand hinterher und redeten über Familienklatsch. So war es gewissermaßen gottgewollt. Große Themen: Männersache. Kleine Themen: Frauensache. Schließlich hat Gott die Frau doch als Gehilfin des Mannes geschaffen, also als Hausfrau und Mutter. Sowohl die Väter vorn als auch die Mütter hinten waren sich einig: Auf einer Kanzel in der Kirche hatten Frauen nichts zu suchen. Es dauerte, bis ich mich traute, das hinter mir zu lassen und Pfarrerin zu werden.

Zusammen mit vielen anderen Frauen und Männern habe ich gelernt, die Bibel genauer zu lesen. Wir entdeckten endlich, welch prominente Rolle Frauen da gerade an den Stellen spielen, wo es um Mut, um Widerstand, um Freiheit und Gerechtigkeit geht. Viele biblische Erzählungen zeugen davon – angefangen bei den Hebammen, die sich dem Befehl des Pharaos widersetzen, jüdische Kinder gleich bei der Geburt zu töten, bis hin zu den Frauen, die sich am Ostermorgen zum Grab Jesu wagen und es leer finden.

Der Jubel der Maria

Nun konnten wir auch die Berühmteste von allen, Maria, neu sehen. So hold und demutsvoll, wie ungezählte Bilder die Mutter Jesu über Jahrhunderte hinweg gezeigt haben, tritt sie in der Bibel gar nicht auf. Davon zeugt das Jubellied, das sie singt, nachdem sie sich von Gott angesehen weiß und von ihrer Freundin Elisabeth ermutigt: das Magnifikat, ein Lied, das sich keineswegs nur auf ihre Schwangerschaft bezieht.

Maria lobt den Gott, "der die Gewaltigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhebt". (Lukas 1, 52) Gottes Gerechtigkeit erfüllt sie mit einer Hoffnung, die über alle gegebenen Machtverhältnisse hinausgeht.

Ob Maria wirklich so gesungen hat, wissen wir natürlich nicht. Aber der Evangelist Lukas tat recht, ihr diese Worte in den Mund zu legen, sie zu sehen in der langen Reihe der biblischen Frauen, die nie nur über Familienangelegenheiten redeten.

Gerechtigkeit für alle

Gerechtigkeit für alle Erniedrigten – die Vision der Maria haben sich zuerst Frauen zu eigen gemacht, die der Kirche eher fern standen: die Sozialistinnen im frühen 20. Jahrhundert, denen wir den Weltfrauentag am 8. März verdanken. Clara Zetkin und Rosa Luxemburg sind gewissermaßen späte Schwestern der biblischen Maria. Es ging ihnen nicht nur um Frauenrechte. Sie wollten Freiheit und Gerechtigkeit für alle. In finsteren Zeiten haben sie sehr weit gehofft und sich in manchem auch geirrt, natürlich.

Rosas Geheimnis

Die weite Hoffnung – wo ist sie bloß geblieben? Mir ist eher bang vor dem, was kommt. Umso mehr staune ich über Rosa Luxemburg, die auch im Gefängnis noch Mutmach-Briefe an ihre Freundinnen schrieb. Zum Beispiel Jubelzeilen wie diese: "Da liege ich still, allein, gewickelt in diese vielfachen schwarzen Tücher der Finsternis, Langeweile, Unfreiheit, des Winters – und dabei klopft mein Herz von einer unbegreiflichen, inneren Freude. Und ich lächle im Dunkeln dem Leben, wie wenn ich irgendein zauberhaftes Geheimnis wüsste, das alles Böse und Traurige Lügen straft… Ich glaube, das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst." (1)

Mut aus Liebe zum Leben

Was Rosa in der Gefängniszelle schreibt, verbindet sich für mich mit dem Lied, das Maria in der Bibel singt: "Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes…" (Lukas 1, 46f.) Das klingt doch, als sei Maria wie Rosa "erfüllt von einer unbegreiflichen, inneren Freude". Bei beiden höre ich eine Liebe zum Leben, stärker als alle Angst. Und mag mich davon anstecken lassen. Möchte es Rosa Luxemburg nachtun, die schreibt: "Je länger das dauert und je mehr das Niederträchtige und Ungeheuerliche, das jeden Tag passiert, alle Grenzen und Maße übersteigt, um so ruhiger und fester werde ich innerlich." (2)

 

Literatur dieser Sendung:
  1. Rosa Luxemburg zitiert nach: Joke J. Hermsen, Rosa und Hannah, Das Blatt wenden, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2021, S. 132 f.
  2. Rosa Luxemburg zitiert nach: Joke J. Hermsen, Rosa und Hannah, Das Blatt wenden, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2021,  S. 124