Inspiration, Intuition, Idee. So könnte man heute die Erfahrung beschreiben: Ein Gedanke, ein Einfall, das richtige Wort zur richtigen Zeit fiel einem zu wie von woanders her. Die Bibel nennt das "Heiliger Geist".
Sendetext nachlesen:
Pfingsten – das ist das Fest des Geistes der Liebe und der Wahrheit. Christinnen und Christen glauben: Gottes Geist wirkt - auch heute noch unter uns. Fassen lässt er sich nicht, aber manchmal doch spüren – sogar im öffentlichen Raum. Vielen war es wohl pfingstlich zumute auf dem Petersplatz in Rom, als Papst Leo bei seinem ersten Auftritt sagte: "Friede sei mit euch!"
Ich denke aber auch an den Gottesdienst am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump. Die Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde fand Worte der Empathie für die Menschen, die der amerikanische Präsident zuvor immer wieder geächtet hat. Sie sprach von der Furcht in der LGBTQ-Gemeinschaft, von den Ängsten der Migranten ohne Papier. Sie sprach von Menschenwürde, Ehrlichkeit und Demut, ohne die es Einheit in einer demokratischen Gesellschaft nicht geben könne. So trat sie dem mächtigsten Mann der Welt entgegen, stellte richtig, was seine gewalttätige Sprache verbogen hatte. Das erregte Aufsehen weltweit.
Hunderttausendfach wurde ihre Predigt auf YouTube-Videos aufgerufen. Ihr Mut wirkte befreiend. Es ging so etwas wie ein Aufatmen durch die sonst meist trübe Nachrichten-Welt. Mariann Edgar Budde selbst hat dann vom Mut gesprochen, der eine ansteckende Kraft ist. In ihrem Buch "Mutig sein" erzählt sie von den vielen Menschen, die ihr selbst Mut gemacht haben. Eine ansteckende Kraft – ja, das will der Heilige Geist sein, und die Bibel spricht von ihm in kraftvollen Bildern: Er wirkt wie Wind und Feuer.
"Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab." (Apostelgeschichte 2,2–4)
So schildert der Evangelist Lukas das Wunder von Pfingsten. Es geht ihm nicht um einen historischen Bericht. Er will vielmehr zeigen, wie der Geist Christi in der Jesusbewegung gegenwärtig und wirksam blieb, auch als Jesus Christus selbst nicht mehr da war.
Ein Wunder war es ja wirklich, dass die Männer und Frauen, die Jesus gefolgt sind, nach seinem Weggang sich nicht zerstreuten, sondern von seiner Gegenwart erfüllt zusammenblieben: Sie wollten nach seinem Vorbild leben. Enthusiastisch waren sie, begeistert. Hielten enge Gemeinschaft, kannten keine sozialen Schranken, teilten, was sie hatten. Und fürchteten sich nicht vor Anfeindungen. Verwandelt, wie neugeboren waren sie zu einem großen Aufbruch bereit.
Dafür findet Lukas in der Erzählung vom Pfingstwunder das Bild vom himmlischen Brausen und den Feuerzungen. Aber das denkt er sich nicht aus. Er greift vielmehr zurück auf die große Gründungsgeschichte des biblischen Volkes Israel. Seinerzeit am Berg Sinai, als Gott mit Israel einen Bund schloss und Mose die Zehn Gebote übergab, da brauste und brannte es auch:
"Als nun der dritte Tag kam und es Morgen ward, da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dichte Wolke auf dem Berge und der Ton einer sehr starken Posaune. … Und Mose führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen, und es trat unten an den Berg. Der ganze Berg Sinai aber rauchte, weil der HERR auf dem Berg herabfuhr im Feuer…" (2. Mose / Exodus 19,16–18)
Wenn wir Christinnen und Christen Pfingsten feiern, 50 Tage nach Ostern, dann feiern Jüdinnen und Juden Schawuot, ein Erntedankfest. Dazu gehört die Erinnerung daran, dass Gott einen Bund mit seinem Volk am Berg Sinai geschlossen und ihm die Zehn Gebote anvertraut hat. Und wenn der Evangelist Lukas den Heiligen Geist mit Brausen und Feuerflammen gerade an diesem Feiertag herabfahren lässt, dann will er zeigen: So wie Israel am Sinai von Gott berufen wurde, so sind es nun auch die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu. Im Brausen erscheint die Kraft des Aufbruchs und der Erneuerung.
Gottes Geist ist aber auch da, wenn es nicht braust. Gegenwärtig wie die Luft, die wir zum Leben brauchen, die uns immer umgibt, ohne dass wir sie sehen oder festhalten könnten. Das hebräische Wort für die Geistkraft Gottes "Ruach" bedeutet auch Wind und Atem. Dieser Atem Gottes schwebt über den Wassern, als die Erde noch wüst und leer ist. So erzählt es die biblische Schöpfungsgeschichte.
Wenn Gott durch sein Wort Leben entstehen lässt, dann haucht er den Geschöpfen gewissermaßen seinen Atem ein. Sein Geist wirkt in allem, was lebt. Vom ersten Menschen wird das ausdrücklich gesagt: Gott blies ihm den Odem des Lebens in die Nase. Darum kann auch der Mensch – wie Gott - nun sprechen, den Mitgeschöpfen Namen geben, die Welt in der Sprache ordnen. Kann Worte finden, die verbinden, trösten, ermutigen, zum Leben helfen.
Aber er kann - Gott hat ihn frei erschaffen - auch anders: die Sprache des Hasses sprechen, lügen, drohen, niedermachen. Kann auch noch atmen, wenn er innerlich starr und kalt ist. Und so muss der Ewige immer wieder kräftiger blasen, um Menschenherzen aufzuwecken. Wer von Gottes Geistkraft erreicht wird, gerät in Fahrt wie ein Segelboot im Wind und findet die Worte, die Mut machen. Wie Samenkörner sollen sie fliegen und auf fruchtbaren Boden fallen.
Der Heilige Geist wirkt belebend wie der Wind, aber auch erhellend und verwandelnd wie das Feuer. Die elementare Kraft des Feuers steht für Gottes Glanz und Macht. Von dem noch jungen Mose erzählt die Bibel: Er hütet die Schafe seines Schwiegervaters und kommt dabei an einen seltsamen Dornbusch. Der brennt, ohne zu verbrennen. Aus dem brennenden Dornbusch heraus hört Mose Gottes Stimme und versteht: Er muss aufbrechen und sein Volk befreien, das unter dem Pharao in Ägypten versklavt ist. (2. Mose / Exodus 3)
So wie dem Mose teilt sich Gottes Geist als Funkenschlag nun in der Pfingsterzählung auch den ersten Aposteln mit: Sie sollen freie und befreiende Menschen sein.
Das Feuer hat Sprengkraft, es löst die Fesseln der Angst. Die Jesus-Gruppe bleibt nicht länger unter sich. Sie traut sich unter die Leute. Ja, und auch ihre Sprachkraft ist wundersam gesprengt.
Was die Völker trennt, weil sie eben nicht die gleiche Sprache sprechen – es soll nicht mehr gelten. Als die Jüngerinnen und Jünger an Pfingsten von Jesus erzählen, verstehen es die Menschen, obwohl sie aus verschiedenen Ländern kommen, jede und jeder in der eigenen Sprache. Pfingsten steht für Verständigung in Vielfalt.
Feuer – das bedeutet auch Licht in der Dunkelheit: Erkenntnis, Erleuchtung. Oft haben die Menschen, die Jesus nachfolgten, seine Worte nicht verstanden. Jetzt aber erinnern sie sich, verstehen ihn, geben seine Worte weiter, schreiben sie auf, so dass sie auch heute noch für uns da sind.
Wo Feuer wirkt, da ist auch Hitze – und Gefahr. Feuer steht für die Leidenschaft, die das Herz auf Hochtouren bringt. Und lau sollen die vom Geist Berührten ja nicht sein. Es soll ihnen doch um Gottes Gerechtigkeit gehen. Diese Hoffnung soll in ihnen glühen.
Aber allzu große Leidenschaft kann sich auch verirren. Wer so ganz geistgewiss brennt, kann außer Rand und Band geraten. Das ist wohl in den ersten christlichen Gemeinden öfter vorgekommen. Davon zeugen die Briefe des Apostels Paulus. Da gefiel man sich dann mancherorts auch in wirren Ekstasen. Manche glaubten, im Geistbesitz sei alles erlaubt. Es kam zum Streit zwischen verschiedenen Gruppen, wer denn nun wahrhaft erleuchtet sei.
Paulus hatte viel zu mahnen: Ihr seid im Irrtum, so ist das mit dem Feuer des Geistes nicht gemeint. Es gibt nur eine Geistesgabe, auf die es wirklich ankommt: die Liebe.
"Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit." (1. Korinther 13,4–6)
So schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Eine tiefe Verbundenheit mit allen Geschöpfen, das ist die Liebe im Licht Gottes.
Neben Wind und Feuer steht noch ein anderes Symbol für den Heiligen Geist. Es ist vielleicht das berühmteste, kommt aber in der Pfingstgeschichte gar nicht vor. Das ist die Taube, die auf Jesus herabfährt nach seiner Taufe im Jordan. Dazu kommt eine Stimme vom Himmel, die bestätigt: Jesus ist Gottes Sohn. In ihm verkörpert sich Gottes Geist ganz. Um dieser Erzählung willen schwebt nun eine Taube über vielen Altären und Kanzeln oder auch hoch in den Kuppeln der Kirchen – als Bitte um den Heiligen Geist an diesem Ort.
Warum nun ausgerechnet eine Taube?, mögen sich Großstadtmenschen fragen. So nett sind die Tauben doch gar nicht und machen viel Dreck. Im Lärm der Stadt ist von der viel gerühmten Sanftmut der Tauben nicht so viel zu merken. Aber in alter Zeit wurden sie geliebt für ihre schillernde Schönheit, ihre weichen Federn und gerundeten Flügel, ihr zärtliches Gurren. Weil sie keine Gallenblase haben, galten sie als frei von aller Bosheit. Nicht nur bei den Griechen waren sie der Göttin der Liebe zugeordnet.
In der Bibel werden sie zu Botschafterinnen des Himmels: Eine Taube kündigt das Ende der Sintflut an – und Jesus als Gottes Sohn. Schließlich wusste man auch das schon im Altertum: Tauben können Botschaften überbringen. So sind sie den Engeln verwandt.
Und vielleicht ist mit dem Flügelschlag der Taube auch noch etwas Anderes verbunden: die Schwingung alles Seienden überhaupt. Von Quantenphysik wusste man zu biblischer Zeit noch nichts. Aber es mag doch sein, dass die wandernden Israeliten in der Stille der Wüste etwas vom großen Schwingen im Kosmos gespürt haben. In manchen Augenblicken erfuhren sie sich ganz eins damit, aufgehoben im Geist, der die Schöpfung bewegt.
"Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben", heißt es in einem Psalm Israels (Psalm 36,8). Wenn die Seele ganz leer ist von der Betriebsamkeit der Welt, so wussten es die großen Mystiker, dann kann sie im Schwingen der Schöpfung aufgehen. Dann stellen sich keine Fragen mehr.
Für uns, die wir in der Betriebsamkeit der Welt immer so viele Fragen haben, zum Schluss ein kleines Gedicht von Christian Morgenstern, das davon spricht, wie auch uns ganz sanft manchmal ein Schwingen erreichen kann. Das Gedicht trägt die Überschrift:
Gleichnis
Palmström schwankt als wie ein Zweig im Wind….
Als ihn Korf befrägt, warum er schwanke,
meint er: Weil ein lieblicher Gedanke,
wie ein Vogel, zärtlich und geschwind,
auf ein kleines ihn belastet habe -
schwanke er als wie ein Zweig im Wind,
schwingend noch von der willkommenen Gabe….
Es gilt das gesprochene Wort.
Musik dieser Sendung:
1.- 4. Jan Garbarek, Rites, Vast plain, clouds
Literatur dieser Sendung:
Christian Morgenstern, 1910, Quelle: Deutschlandfunk Literaturkalender 2011