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Talitha Kumi – eine evangelische Schule in Palästina
von Ulrike Greim
Autor
19.03.2024 05:20
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Sie haben jahrelang zusammen in einer Klasse gesessen. Schulbrotkauend draußen auf dem Pausenhof gestanden und über die coolsten Influencer geredet, schwitzend auf der Bank in der Turnhalle die Wasserflasche herumgehen lassen – Christen und Muslime zusammen in dieser Schule im Westjordanland.

Nun: Endspurt. Die schriftlichen Prüfungen sind geschafft, jetzt geht es in die mündlichen. Die jungen Frauen und Männer büffeln und bangen. Abi ist harte Arbeit. Die größte Gegnerin ist die ständige Angst. Der Haupteingang der Schule: gesperrt. Einige können gar nicht kommen, weil alles abgeriegelt ist. Alltag – hier in Beit Jala, nahe Bethlehem, nicht weit von Jerusalem.

Alle wissen um die Gefahr. Bomben sind auch hier in der Nachbarschaft eingeschlagen. Der Schulbetrieb lag darnieder. Lehrerinnen und Lehrer dieser deutschen Auslandsschule wurden evakuiert. Ausgeflogen nach Deutschland. Nun läuft der Schulbetrieb wieder. Die meisten sind zurück. Sie bemühen sich um Normalität. So, wie es eben geht – in Zeiten des Krieges.

Talitha Kumi heißt diese Schule. Es ist eine evangelische Schule. Hier lernen christliche und muslimische Kinder gemeinsam. Sie lernen Mathe und Deutsch und dass es gemeinsam geht. Sie lernen, dass die einen einen komplizierteren Schulweg haben als die anderen. Dass die einen bangen und weinen um Angehörige – und auch die anderen starr sind vor Schreck. Und dass sie sich alle Frieden wünschen.

Talitha kumi bedeutet übersetzt „Mädchen, steh auf!“. Das ist ein Zitat aus einer Jesus-Geschichte. Das sagt Jesus zu einem Mädchen, das die anderen schon aufgegeben haben. Schwerkrank. So gut wie tot. Die Nachbarn sagen: Sie ist gestorben, gib dir keine Mühe mehr. Jesus sagt: Sie schläft nur. Talitha kumi, spricht Jesus, nimmt das Mädchen an der Hand und sie richtet sich auf.

Mädchen, steh auf.

Der Frieden in Nahost – er scheint fast unmöglich. Der Friedensprozess – tot. Oder?

Dann ist die Schule Talitha Kumi vielleicht die beste Medizin. Gemeinsam lernen. Salam – Schalom kumi! Friede, steh auf!

Eine Abiturientin sagt, wie ohnmächtig sie sich fühlt und verzweifelt, wie mit Seilen gefesselt. Und gleichzeitig will sie trotzig hoffen. „Wir müssen dem Blutvergießen ein Ende setzen“, schreibt sie in einem Bericht auf der Schulhomepage, „in der Hoffnung, dass Israelis und Palästinenser nebeneinander in einem sicheren und harmonischen Umfeld leben können.“

Die Kinder und Jugendlichen dieser Schule sehen, dass es gelingen kann. Sie lernen sich als Mitschülerinnen und Mitschüler kennen, nicht als ‚die anderen‘, ‚die Barbaren‘. Sie schauen sich in die Augen. Sie erobern miteinander Themen und Projekte.

Die Schulleiterin schreibt: „Ich glaube, dass der Frieden eines Tages kommen wird, aber bis dahin arbeiten wir weiter mit dem stärksten Werkzeug, das wir haben: Bildung.“

Diese Bildung möge stärker sein als alles, was ihnen den Atem rauben will. Und ihnen helfen aufzustehen.

Es gilt das gesprochene Wort.