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Sie sind noch immer zu erkennen. Blasse weiße, kreisrunde Flecken auf tiefroten Backsteinwänden. Zeugnisse aus den letzten Kriegstagen vor bald 80 Jahren.
Das Gemeindehaus der evangelischen Matthäuskirche in Berlin Steglitz. Hier befand sich am Ende des Zweiten Weltkriegs ein Feldlazarett für die Verwundeten und Sterbenden der Endkämpfe um Berlin. Auf die weißen Flecken an der Backsteinmauer waren damals große rote Kreuze gemalt. Rote Kreuze auf weißem Hintergrund. Schutzzeichen inmitten des Krieges. Hier sollten keine Kämpfe stattfinden. Hier sollten die Verletzten versorgt werden. Ein geschützter Raum inmitten der Straßenkämpfe.
Trotzdem: Wenn ich genauer hinsehe, entdecke ich Einschusslöcher an den Wänden. In eine Häuserfront schlug sogar eine Granate ein. Die Lücke, die sie gerissen hat, ist nun eine Loggia. Das Feldlazarett wurde also trotz der Schutzzeichen beschossen.
Ich gehe weiter auf den alten Dorffriedhof bei der Matthäuskirche. Ich sehe ein Kriegsgräberfeld. Die Sterbedaten zeigen das an: 27. April 1945, 7. Mai 1945. So viele sind noch kurz vor Kriegsende gestorben.
Ich schaue auf die Geburtsdaten. Jugendliche, fast noch Kinder liegen neben alten Männern. "Volksturm" nannten das die Nazis, das letzte Kontingent. Menschen werden in den Kampf geschickt, noch zu jung oder viel zu alt, um irgendetwas auszurichten. Erbarmungslos.
Ich gehe zurück zum Gemeindehaus, dem damaligen Feldlazarett. Kein geschützter Raum trotz der roten Kreuze. Stattdessen Verwundung, Schmerz, verzweifelte Schreie der Sterbenden.
Die Tür der Matthäuskirche daneben steht offen. Die Fenster über dem Altar zeigen: Totenköpfe, viel Feuer und Zerstörung. Bilder vom Bombenhagel und von den Sturmangriffen. Bilder von der Erbarmungslosigkeit des Krieges.
Unterhalb dieser apokalyptischen Fensterbilder erkenne ich eine schwarze Schieferwand. Darauf eine weiße Schrift. In feinen Linien steht da: Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.
Spuren des Krieges in Berlin Steglitz. Ich erahne, wie schrecklich Krieg ist. Apokalyptisch. Aber ich entdecke einen Horizont: Herr, erbarme dich. Angesichts des Schreckens, den Menschen sich gegenseitig antun, sind wir auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen. Eine andere Welt ist möglich. Ein friedliches Zusammenleben unter Menschen ist möglich.
Weiße Flecken – weiße Schrift: Hoffnungszeichen, dass Tod und Krieg nicht das letzte Wort haben werden. Unbarmherzigkeit führt ins Verderben, Barmherzigkeit aber schafft Leben.
Darauf hoffe ich, gerade in diesen Zeiten.
Es gilt das gesprochene Wort.